Hannes Wader
Steh doch auf, du armer Hund
Steh doch auf und schlaf nicht ein in deinem Blut, du armer Hund!
Bück dich jetzt nicht mehr nach deinen Zähnen, guter Mann
Steck sie dir nicht noch mal in den aufgequollnen Mund –
Los doch, spuck sie aus, sie wachsen nie mehr wieder an!
Kriech nach Hause, wenn du kannst, du riechst nach Blut, nach Schnaps und Schweiß
Hast bekommen, was du brauchtest, und jetzt bist du endlich still!
Einer, der so ist wie du, der muss das haben - ja, ich weiß!
Einer, der so ist wie du, den sonst keiner haben will

Und nun krümmst du dich, du fluchst und hustest, hälst dir deinen Bauch
Willst was sagen, kannst es sowieso nicht, kotz dich lieber aus!
Hast dein Leben lang nie reden können – mit wem denn auch?
Aber irgendwann kommt doch plötzlich alles raus
Die Jauche, die sich in dir sammelt, staut sich unter deiner Haut
Schließt die Poren, kocht und brodelt und mischt sich mit deinem Blut
Und wenn die Suppe sich in deinem Hirn zusammenbraut
Stinkts, wenn du das Maul aufmachst, und du spuckst vor Hass und Wut!

Immer, wenn du soweit bist, wirst du in eine Kneipe geh'n
Denn unter all den Leuten, die hier saufen, so wie du
Gibt's immer Einen, der ist voll bis obenhin, kann kaum noch steh'n
Der rempelt dich nur an, und schon schlägst du wieder zu
Und dann siehst du nichts mehr, hörst nichts mehr, wirst erst zufrieden sein
Wenn du daliegst, so wie jetzt, deine Augen schmutzverklebt
Und den Schmerz genießen kannst im zerquetschten Nasenbein
Der stark pocht, damit du spürst, dass in dir noch etwas lebt!
Gib sie mir, ich kann sie brauchen, diese fürchterliche Wut!
Ich würde sie nicht so vergeuden, mich nicht hau'n, wo's keiner sieht
Ich würde warten, ich, der keiner Fliege etwas tut
Auf den Tag, an dem was national Bedeutendes geschieht –
Ein hohes Tier müsst' es schon sein, darunter rührt' ich keine Hand
Doch bei so einem, da langt' ich hin, alles legte ich darein!
Aber nur, wenn's Fernseh'n live dabei wär', für das ganze Land
Und die Weltpresse, versteht sich, müsste auch zugegen sein!

Doch du hast viel mehr nachzuholen, kriegst vielleicht auch irgendwann
Einen, der's verdient zu fassen – hab' schon an den Papst gedacht!
Nimm ihn dir vor, schlag ihn nicht, er ist ein kranker Mann
Der, wie du, für seinen Chef auch nur die Dreckarbeiten macht!
Nein, drück ihm seinen hohen, spitzen Hut tief ins Gesicht
Über beide Ohren, dass er sich dabei verbiegt
Und die Brillianten runterbröckeln, aber bück dich danach nicht!
Gleich weitergeh'n ins Paradies – der Papst weiß wo es liegt!

Dieses Paradies hat vor dir keine Menschenseele je
Lebendig oder tot geseh'n, nur hat man's vorher nie gewusst
Nimm's in Besitz, dies kahle Land, du findest schon den Dreh
Wie du mit Deinesgleichen dieses Feld beackern musst!
Vielleicht trefft ihr hier oben, doch das steht noch gar nicht fest
Einen Greis, zehntausend Jahre alt, der nicht sterben kann
Der sich nur noch, von seinem Sohn, mit Grießbrei füttern lässt –
Lässt, aus Furcht um seinen Thron, niemand sonst an sich heran
Noch hält dieser Greis in seiner Hand die Fäden dieser Welt
Nehmt sie ihm ab, verzeiht ihm oder nicht, es ist auch gleich
Erlöst seid ihr dann, wenn sein Thron in sich zusammenfällt –
Doch den Sohn behandelt gut, er ist einer von euch!