Hannes Wader
Der Drachen
Ich nehme den Weg durch die Wiesen, die Felder
Der Wind der weht, riecht nach Herbst und die Wälder
An den Berghängen oben färben sich schon
Auf der Weide lässt ein Vater mit seinem Sohn

Einen fabrikneuen Drachen steigen
Wie schade, wenn der sich gleich in den Zweigеn
Der Eiche da drüben am Waldrand vеrfängt
Und dann bis zum Frühjahr in der Baumkrone hängt

Ich muss dabei an meinen ersten Drachen denken
Ich war noch nicht groß genug um ihn zu lenken
Er war selbstgemacht, nicht wie heute, wo man
Drachen längst überall kaufen kann

Es hatte der Drachen den mein Vater mir baute
Die Form, na ich sage mal, einer Raute
Zwei Tapetenleisten zurechtgesägt
Eine kurz, eine lang, über Kreuz gelegt

Die vier Ecken mit kräftigem Zwirn umwunden
Das Ganze fest miteinander verbunden
Ein paar Bogen mit Mehlkleister, so circa vier
Aneinandergeklebt Butterbrotspapier

Dann zuschneiden, Kanten die überkragen
Mit Leim bestreichen, um den Zwirnrahmen schlagen
Rote Farbe für das lachende Drachengesicht
Jetzt nur noch der lange Schwanz für's Gleichgewicht
Da fliegt er, mein Drachen, eine plötzliche Böe
Jagt ihn über's Stoppelfeld steil in die Höhe
Reißt an der Schnur und ich bin doch noch zu klein
Um sie halten zu können, dazu ganz allein

Ich sehe ihn trudeln, sehe ihn taumeln
Hoch oben am Telegrafenmast baumeln
Mein Vater, er schaut zum Fenster heraus
Sieht, ich komme ohne meinen Drachen nach Haus

Er sagt nichts zu mir, ich kann aber sehen
Wie enttäuscht er ist, kann ihn sogar verstehen
Bei dem was ich alles schon falsch gemacht hab
Er schüttelt nur den Kopf und wendet sich ab

Bin weit gegangen, Zeit für mich umzudrehen
Der Vater mit seinem kleinen Sohn auch sie gehen
Jetzt müde vom Drachensteigenlassen nach Haus
Der Junge sieht stolz und zufrieden aus

Sie packen ihre Sachen, auch das machen
Sie gemeinsam der Vater der den Drachen
Sein Sohn der die Spule mit der Drachenschnur nimmt
Das ist gut, das gefällt mir und es würde mir bestimmt

Gefallen haben hätte es auch in meinem Leben
Als Kind damals solche Moment gegeben
Ich bin ein bisschen neidisch, aber nicht sehr
Dafür ist das alles doch schon zu lange her
Dafür ist das alles doch schon zu lange her