Hannes Wader
Landsknecht
Mein Rock ist aus Seide, Spitzen und Samt
Das Barett das von einem Obristen stammt
Silberbeschlagen der Gurt und die Schuh'
Geschlitzte Beinkleider passend dazu!
Die neue Muskete, das kräftige Pferd
Am Sattel das lange, beidhändige Schwert –
Den Sack voller Taler, zwei Schläuche voll Wein
Und die Laute aus Perlmut und Elfenbein!
Ich habе gewonnen beim Würfеlspiel –
Offiziere von Adel saufen zu viel
Sonst hätten sie niemals in dieser Nacht
Mit mir armen Teufel ihr Spiel gemacht!
Noch wissen sie nicht, wie ihnen geschah
Und sind sie erst nüchtern, bin ich nicht mehr da –
War lange genug leibeigener Knecht
Und schwedischer Söldner, nun will ich mein Recht!
Ich war noch ein Knabe, da diente ich schon
Wie ein erwachsener Knecht in der Fron –
Am Tag auf dem Feld und dann in der Nacht
Hab' ich den Schlaf des Grafen bewacht!
Das Quaken der Frösche im nahen See
Vor dem Schloss tat den Ohren des Grafen so weh
Dass er mir befahl bis zum Morgengrau'n
Mit einer Peitsche ins Wasser zu hau'n!
Dabei schlief ich ein und ich wurde erst wach
Als der Graf mich mit einer Mistgabel stach –
Ich warf ihn ins Wasser und bin gefloh'n
Doch nach drei Tagen fing man mich schon!
Nun bin ich für immer nach Herrenrecht
Gezeichnet als ein entlaufener Knecht –
Das Mal hat der Graf mir mit eigener Hand
Knochentief in die Stirn gebrannt!
Dann kam der Krieg und ich lief wieder fort
Diente als Söldner mal hier und mal dort
In dieser Zeit sorgte Anna für mich –
Klug war sie und so jung wie ich!
Oft sprach sie in Bildern, die niemand verstand
Legte die Karten, las aus der Hand
Es hieß sie hätte das zweite Gesicht –
Ob wahr oder unwahr, mich störte es nicht!
Man hat sie verleumdet, verfolgt und verlacht
Uns mit Gewalt auseinander gebracht –
Erst hat der Profoß mich eingesperrt
Und Anna zu sich in sein Bett gezerrt!
Als sie ihm die Halsschlagader durchbiss
Ihm mit ihren Nägeln den Rücken zerriss
Hat man sie gefoltert und kurzerhand
Als Hexe, lebendigen Leibes, verbrannt!
Zwanzig Jahre schon dauert der Krieg –
Nirgendwo Frieden und nirgends ein Sieg
Mit dem Mal auf der Stirn blieb ich was ich war
Söldner und Landsknecht Jahr für Jahr!
Hab' nicht erst nach höheren Ehren geschielt
Hab' getötet, gesoffen, gehuhrt und gespielt
Weiß nicht einmal mein Alter genau –
Ich bin nicht mehr jung, mein Bart wird grau!
Noch habe ich sämtliche Zähne im Maul
Seh' wie ein Habicht, bin stark wie ein Gaul
Ich reite nach Flandern, nach Gent und Brabant
Lebe in Frieden, von niemand erkannt –
Nehm' mir die schönste Witwe zum Weib
Schlage die Laute zum Zeitvertreib
Um dann als Schankwirt bei Braten und Wein
Mir selbst und den Gästen gefällig zu sein!
Nun höre ich Reiter ganz dicht hinter mir
Ich steige vom Pferd und erwarte sie hier –
Vorn reitet der alte klapprige Obrist
Der sein Pferd, seinen Rock, sein Barett vermisst!
Der Hauptmann dem ich das Schwert abgewann
Und die Laute auf der er nicht spielen kann –
Der Leutnant mit dem verstümmelten Ohr
Der all' seine Taler an mich verlor!
Lebt wohl schöne Witwen in Gent und Brabant
Ich habe geträumt, mich geirrt, mich verrannt
Es gibt keinen Frieden für einen wie mich –
Ich packe das Schwert und das halte ich
Viel zu verkrampft, meine Hände sind heiß
Längst ist der Griff schon nass vom Schweiß –
Mein Traum macht mir das töten so schwer
Aber das Sterben, das Sterben noch mehr!