Reinhard Mey
Neun... und vorbei
Ein Lichtfleck von acht Seilen begrenzt
Dahinter lauert die Nacht
Und ein zehntausendäugiges Gespenst
Das jeden deiner Schritte überwacht
Zehntausend Augen die sehen wollen
Wie lange du dich noch hältst
Fünftausend Münder, die schreien wollen
Wenn du endlich zu Boden fällst
In der ersten Reihe, du siehst es nicht
Steckt sich ein dicker Mann
Eine lange Zigarre in sein Gesicht
Und dann saugt er genüsslich daran
Du siehst deinen Gegner nur vor dir steh'n
Der weiß längst, wie erledigt du bist
Und du kannst aus geschwollenen Augen seh'n
Wer von euch der stärkere ist
Du tänzelst unsicher, du deckst dich nicht mehr
Und diesmal trifft er dich gut
Und alles dreht sich wie wild ringsumher
Und du schmeckst auf deinen Lippen dein Blut
Und zum ersten Mal spürst du den Geruch
Von Schweiß und Bier, du atmest tief
Und irgendwer reicht dir ein nasses Tuch
Und du denkst, dir wird schlecht von dem Mief
Du hörst Frauen kreischen und Männer schrei'n
Und du hoffst, du bist endlich besiegt
Denn selbst ein Raubtier lässt seinen Todfeind sein
Wenn er hilflos am Boden liegt
Den Mann, der bis neun zählt, den hörst du bis drei
Pfeifen, Getrampel, Gestampf
Zwei tragen dich raus, zu Ende, vorbei
Ring frei für den nächsten Kampf!
In der Garderobe kommst du vielleicht wieder zu dir
Und betastest dein zerschlag'nes Gesicht
Vielleicht auch nicht, nun, das liegt an dir
Ob du zäh genug bist oder nicht
Vielleicht hast du Glück und dein Arzt ist geschickt
Und vollbringt an dir kunstgerecht
Ein medizinisches Wunder und flickt
Dich halbwegs wieder zurecht
Ein Lichtfleck von acht Seilen umsäumt
Lampen, die grelles Licht streu'n
Ein für allemal ausgeträumt
Vier, fünf, sechs, sieben, acht - neun!