Reinhard Mey
Der irrende Narr
Dem Haus den Rücken zugewandt
Die graue Mütze in der Hand
Sein Blick zur Seite, halb zurück
Ein Hund folgt knurrend ihm ein Stück
Er zögert, bleibt noch einmal steh'n
Und wendet sich im Weitergeh'n
Zurück zu dem, was einmal war –
Der irrende Narr
Ein Weiser, seiner Welt entfloh'n
Halb Heil'ger, halb verlor‘ner Sohn
Spricht zu sich selbst in seinem Trott
Und plaudert mit dem lieben Gott –
Der irrende Narr
Sein Blick, verwaschen wie sein Kleid
Vom Wind, vom Regen, von der Zeit
Und von der Sonne ausgebleicht
Und so schwer, wie sein Brotkorb leicht
Die Schuh' erbärmlich wie sein Rock
Die Glieder wie sein Wanderstock
Und wie sein Sinn unbeugsam starr –
Der irrende Narr
War's Antiochus im heil'gen Land
Der Fall von Flandern und Brabant
War's Zuidcote oder Stalingrad
Das ihm die Seele zerbrochen hat
Mit seinem Gestern zum Geleit
Verliert er sich in Raum und Zeit
Und wird sein Heut' nicht mehr gewahr –
Der irrende Narr
So zieht er weiter für und für
So steht er draußen vor der Tür
Und bittet um ein wenig Brot
Er riecht nach Armut und bitt'rer Not
Du gibst ihm reichlich Brot und Wein
Aber du bittest ihn nicht herein
Er dankt und lächelt sonderbar –
Der irrende Narr
Dem Haus den Rücken zugewandt
Die graue Mütze in der Hand
Sein Blick zur Seite, halb zurück
Ein Hund folgt knurrend ihm ein Stück
Er zögert, bleibt noch einmal steh'n
Und wendet sich im Weitergehn
Zurück zu dem, was einmal war –
Der irrende Narr