Reinhard Mey
Bedenkt
Bedenkt, dass jetzt um diese Zeit
Der Mond die Stadt erreicht –
Für eine kleine Ewigkeit
Sein Milchgebiss uns zeigt!

Bedenkt, dass hinter ihm ein Himmel ist
Den man nicht definieren kann –
Vielleicht kommt jetzt um diese Zeit
Ein Mensch dort oben an!

Und umgekehrt wird jetzt vielleicht
Ein Träumer in die Welt gesetzt
Und manche Mutter hat erfahren
Dass ihre Kinder nicht die besten waren!

Bedenkt auch, dass ihr Wasser habt und Brot
Dass Unglück auf der Straße droht
Für die, die weder Tisch noch Stühle haben
Und mit der Not die Tugend auch begraben!

Bedenkt, dass mancher sich betrinkt
Weil ihm das Leben nicht gelingt
Dass mancher lacht, weil er nicht weinen kann –
Dem einen sieht man's an, dem andern nicht!

Bedenkt, wie schnell man oft ein Urteil spricht
Und dass gefoltert wird, das sollt ihr auch bedenken!
Gewiss ein heißes Eisen, ich wollte niemand kränken –
Doch werden Bajonette jetzt gezählt und wenn eins fehlt
Es könnte einen Menschen retten
Der jetzt um diese Zeit in eurer Mitte sitzt
Von Gleichgesinnten noch geschützt!
Wenn ihr dies alles wollt bedenken
Dann will ich gern den Hut, den ich nicht habe, schwenken!
Die Frage ist, soll'n wir sie lieben, diese Welt –
Soll'n wir sie lieben?

Ich möchte sagen: Wir woll'n es üben!