Reinhard Mey
Eh’ meine Stunde schlägt
Eh' meine Stunde schlägt
Möchte ich mit meinen liebsten Freunden
Noch einmal um jenen Tisch versammelt sein
Der in tiefen Kerben uns're Namen trägt
Und mit ihnen will ich trinken, bis unsere Augen seh'n
Wie in der vertrauten Stube drei Barken vor Anker geh'n
Und auf jeder sollen hundert gute Musikanten steh'n
Und die Wassermusik spielen, und das Herz wird mir aufgeh'n
Eh' das erste Schiff mit mir an Bord vom Lebenskai ablegt
Wenn meine Stunde schlägt
Eh' meine Stunde schlägt
Würd' ich doch zu gern alles verschreiben
Was an Herzblut mir noch bleibt in ein paar Zeil'n
All das Ungesagte, das sich in mir regt
Doch für meine letzten Verse will ich einen Pegasus
Einen Gaul, der statt vier Hufe, vier Raketen haben muss
Und auf seinem Rücken steig' ich endlich schwerelos und frei
Auf zum letzten Höhenflug, und mit nicht wen'ger als Mach drei
Will ich, dass er mich mit Donner bis ins Fegefeuer trägt
Wenn meine Stunde schlägt
Eh' meine Stunde schlägt
Möchte ich die Stürme noch erleben
Die zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen im Herbst
In den Bäumen toben, dass es mich seltsam bewegt
Und an einem Sommermorgen noch aus einem Korb im Frei'n
Brot und Schinken mit dir teilen, Früchte auch und Frankenwein
Dann will ich bei dir einschlafen dort im Gras, und dann will ich
Nur noch die Erinnerung an Walderdbeeren und an dich
Wenn Vergessen sich allmählich über meine Sinne legt
Wenn meine Stunde schlägt