Reinhard Mey
Ich denk’, es war ein gutes Jahr
Der Rauhreif legt sich vor mein Fenster
Kandiert die letzten Blätter weiß
Der Wind von Norden jagt Gespenster
Aus Nebelschwaden übers Eis
Die in den Büschen hängen bleiben
An Zweigen, wie Kristall so klar
Ich hauche Blumen auf die Scheiben
Und denk', es war ein gutes Jahr
Sind ein paar Hoffnungen zerronnen?
War dies und jenes Lug und Trug?
Hab' nichts verloren, nichts gewonnen
So macht mich auch kein Schaden klug
So bleib ich Narr unter den Toren
Hab' ein paar Illusionen mehr
Hab' nichts gewonnen, nichts verloren
Und meine Taschen bleiben leer
Nichts bleibt von Bildern, die zerrinnen
Nur eines seh' ich noch vor mir
Als läg' ein Schnee auf meinen Sinnen
Mit tiefen Fußstapfen von dir
Mir bleibt noch im Kamin ein Feuer
Und ein paar Flaschen junger Wein
Mehr Reichtum wär' mir nicht geheuer
Und brächte Sorgen obendrein
Du kommst, den Arm um mich zu legen
Streichst mit den Fingern durch mein Haar:
"Denk dran, ein Holzscheit nachzulegen
Ich glaub', es war ein gutes Jahr!"