Reinhard Mey
Gerhard und Frank
[Songtext zu „Gerhard und Frank“]
[Strophe 1]
Gerhard und Frank sitzen im Wintergarten
Schau'n in den Nachmittagshimmel und warten
Ein Tee, ein Glas Wein, dass die Dämmerung fällt
Gerhard und Frank sind gern auf der Welt
Frank war ein Pfleger, war gütig und weise
Gerd war ein Tischler, geduldig und leise
Kam damals mit der gebrochenen Hand
Frank hatte Spätdienst und legt den Verband
Von da an sollten sie einander begleiten
Für immer, durch gute und schwere Zeiten
Die schweren sind lange vorbei, Gott sei Dank
Jetzt kommen die guten Zeiten für Gerhard und Frank
Frank hat die Post aus dem Kasten genommen
Der Umschlag aus dem Labor ist gekommen
Frank kennt diese Zahlen, er kennt jeden Wert
Faltet das Schreiben, verbirgt es vor Gerd
Doch Gerd ahnt den Kummer, er spürt ja die schwere Last
Und die drückende Atmosphäre
Bemüht sich redlich sich sorglos zu stell'n
Und das dunkle Gemüt des Freundes aufzuhell'n
Plant Ausflüge und Theaterbesuche
Frank unternimmt hilflose Versuche
Den klaren Befund untern Teppich zu kehr'n
Und sich gegen diese bittere Gewissheit zu wehr'n
[Strophe 2]
Kauft wahllos ein, um sich abzulenken
Überhäuft seinen Freund mit Geschenken
Kauft den kleinen Hund, „Was wird aus Gerd
Wenn ich einmal nicht mehr da sein werd'?“
Er kennt sie, die Bilder von Drähten und Schläuchen
Kennt die Geräusche, das Kämpfen, das Keuchen
Nein, er wird sich nicht beim Leiden zuseh'n
Er wird selber geh'n, wenn es Zeit ist zu geh'n
„Komm, wir lassen es jetzt mal so richtig krachen
Lass uns zusammen all die Reisen machen
Den Jakobsweg, die Kreuzfahrt im Mittelmeer
Sag, wie lange schieben wir das nun schon vor uns her?
Die Reise zur Weinlese im Burgund
Zur Mandelblüte nach Mallorca und
Einmal zum Polarlicht nach Kanada
Und 'nen Katzensprung rüber in die USA
Für ein Selfie auf dem Walk of Fame in LA“
Doch er kauft nur ein einziges Ticket
Nach Zürich, one way
[Strophe 3]
„Ja, so war's“, sagt der Mann auf der Kaffeeterrasse
Steht auf, legt fünf Euro neben seine Tasse
„Verzeih'n Sie, mein Herr, ich wollte nicht stör'n
Manchmal braucht man halt einen Menschen zum Zuhör'n
Ja, so war's auf den Tag genau heut vor zwei Jahren
Wir sind nicht mehr in die Bourgogne gefahren
Da keltern sie jetzt einen neuen Wein“
Er ruft seinen kleinen Hund und geht heim – allein