Reinhard Mey
Lucky Laschinski
Sie kam in dieser schwarzen, sturmumtosten Regennacht
Aus der Brache vorm Abrisshaus auf dem Fabrikgelände
Hat sich die angelehnte Tür alleine aufgemacht
Und machte aus den meinen im Handstreich ihre vier Wände
So fordernd und so vorsichtig, so neugierig zugleich
Umkreiste sie mich lautlos und taxierte mich im Dunkeln
Und selbstbewusst trat sie ins Licht und in ihr neues Reich
Und ließ aus halb geschloss'nen Augen zwei Smaragde funkeln
Die Kinder haben sie Lucky Laschinski getauft
Wie die Katze von Alf, Laschinski wie Tante Gerlinde
Beim Späti schnell noch zwei Dosen Katzenfutter gekauft
Das aus der Fernseh-Werbung, die ich ziemlich eklig finde
Ob Kater oder Katze wussten wir nicht genau
Ist auch egal, bei Nacht sind alle Katzen grau
Lucky Laschinski, du Streuner, du bunt-getigert-gestreifter Katzenhund!
Ich wollte die Verantwortung nicht für ein fremdes Tier
„Friss dich satt heute Nacht bei uns und dann verschwinde morgen
Ich hab genug zu tun und keine Lust, mich noch von dir
Kratzen zu lassen und für deinen Luxusfraß zu sorgen!“
Sie hatte eine Narbe im seidig schimmernden Fell
Und Scharten von ein paar Scharmützeln an den Ohren
Doch Fürsorge und Fressen heilten diese Spuren schnell
Und ich hatte genauso schnell jede Distanz verloren
Unglaublich, wie so ’n Vieh dein Herz im Sturm erobern kann!
Sie kratzt meine Tapeten, sie zerfleddert meine Kissen
Sie ist die Zärtlichste, die Klügste, sie ist ein Tyrann
Sie ist einfach die Schönste und das scheint sie auch zu wissen
Sie sitzt auf meinem Sessel, macht sich breit auf meinem Platz
Mit einem Satz: Das ganze Haus ist für die Katz
Lucky Laschinski, du Streuner, du bunt-getigert-gestreifter Katzenhund!
Sie kommt und geht ob Tag ob Nacht, sie macht nur was sie will
Sie streicht um meine Beine, oder sie dreht ihre Runden
Wo ist sie eigentlich, es ist im Haus bedrückend still
Jetzt ist der Alptraum wahr, Lucky Laschinski ist verschwunden!
Ihr Teller voll, der Wäschekorb, ihr Lieblingsversteck, leer
Ist sie jetzt einfach abgehau’n, hat sie uns schon vergessen?
Das ist ein Horrorfilm, Lucky Laschinski kommt nicht mehr
Wo steckt sie jetzt, ist sie verletzt, sie hat noch nichts gefressen!
Die Kinder haben Zettel in der Nachbarschaft geklebt:
Wo ist Lucky Laschinski? Hört auch auf Mieze und Socke
Hohe Belohnung, wer weiß, wo unsere Katze jetzt lebt?
Lucky hört auch auf Purzel, auf Muschi und auf Flocke
Besondre Kennzeichen: Die Katze ist emanzipiert
Und ihr linkes Ohr ist etwas ramponiert
Lucky Laschinski, du Streuner, du bunt-getigert-gestreifter Katzenhund!
Was ist, mag mancher sagen, Katze oder Hund denn schon
’ne Sache nur, kein Grund in Lethargie zu versinken
Für andre Freund, Gefährtin, vielleicht Reinkarnation
Eines Verscholl’nen. Mir schmeckt kein Essen und kein Trinken
Und es ist wieder so eine schaurige Regennacht
Sie irrt da draußen, ausgehungert, wehrlos ganz alleine
Bewegte sich die angelehnte Tür da nicht ganz sacht
Streicht da nicht fast unspürbar mir ein Luftzug um die Beine?
Was ist das
Für ein Schatten da?
Mein Puls setzt aus
Halleluja
Lucky Laschinski ist wieder da!
Scharte im Ohr
Frisch mitgebracht
Kommt schon mal vor
Welch eine Nacht
Lucky Laschinski ist wieder da!
Alles ist gut
Du bist zurück
Du Satansbrut
Das nenn’ ich Glück
Lucky Laschinski ist wieder da!
Lucky Laschinski, du Streuner, du bunt-getigert-gestreifter Katzenhund!