Julia Engelmann
Liegst Du Niemals Nachts Wach
Liegst du niemals nachts wach?
Vom Angstschweiß ganz nass und du fragst dich, was du da eigentlich machst.
Und wofür überhaupt? Warum gibst du nicht auf?

Liegst du niemals nachts wach?
Und resümierst noch den Tag und du fragst dich, wie das die anderen machen und wer die anderen sind.
Wo führt alles hin?

Liegst du niemals nachts wach?
Hast dein Smartphone ganz nah' und du fragst, was du wohl alles verpasst.
Und, ob du morgen noch weißt, was du jetzt gerade likest.

Liegst du niemals nachts wach?
Und du starrst an die Wand und du fragst dich, warum hab ich all das gesagt?
Und warum ist das passiert? Und du schämst dich dafür.

Liegst du niemals nachts wach?
Und dein Herz schlägt so krass.
Und du fragst dich, ok wenn ich jetzt sofort schlaf sind drei Stunden genug und was soll ich sonst tun?

Liegst du niemals nachts wach?
Bis du über sich lachst, weil du raffst, dass du das, was du immer gern machst gar nicht immer auch tust. Und dann fühlst du denn Mut.

Liegst du niemals nachts wach?
Bis du Vorsätze fasst und du sagst dir, dass du ab morgen aufpasst, nie mehr Zeit zu verschwenden, um dann doch zu verpennen.
Liegst du niemals nachts wach?
Und dann enden die Fragen und dir wird alles klar.
Wieso alles so war und wieso alles so ist. Nur, dass du es später vergisst.

Nein? Machst du nie? Mach nur ich?
Dann bist du nicht normal. Oder ich bin es nicht. Denn ich liege wach. Es ist 04:08 Uhr und die letzten fünf Stunden haben gar nichts gebracht.
Nur wälzen im Laken, knurrenden Magen, drastische Fragen und wachsende Panik. Davor, dass ich echt einfach nur so da bin.

Ich habe mein Smartphone umklammert wie die Hand eines Partners.
Doch da ist niemand anders. Ich hab nicht mal nen' Hamster. Der nächstgelegene Mensch ist mein oberer Nachbar. Egal

Egal, ich öffne Instagram. Entdecke fremdes Frühstück. Bei allen liegen Blumen auf dem Bett und loses Müsli.
Und alle sind so schön, so wild, verliebt und ach so glücklich.
Und alle tragen bauchfrei in Paris und sind so tüchtig.
Und ich? Ich will nicht schlafen, denn das Leben ist zu flüchtig, um auf Dinge zu warten, um Pyjamas zu tragen und für REM-Phasen. Man, man bin ich liebesbedürftig. Egal.
Egal, ich öffne WhatsApp und Facebook und ich schreibe jetzt jeden. Echt jedem bekannten, Freunden, Kollegen, denn ich habe zu viel zu geben, um alleine zu leben.
Ich verstreue meine Nähe auf neuen Olinegesprächen. Je mehr, desto schneller kriege ich was zu lesen. Kriege ich was zu lieben.

Update:
Mir hat noch einer geschrieben. Nur... nur der eine, aber war nicht der, den ich meine. Und noch der andere, aber das war nur der flüchtig Bekannte und noch Andree, aber der schreibt mir immer zu lange.

Und du? Liegst du niemals im Bett und willst einfach nur weg und du rechnest, wie lange du zum Ende der Welt jetzt von hier aus wohl brauchst und willst nur aus dir raus.

Im Spiegel starre ich mich an und halte Augenkontakt und ich frag mich. Komisch, bin ich wirklich das? Mein Kopf ist heute Nacht kein sicherer Ort.
Ich will träumen. Sofort. Ich sagte träumen. Sofort.
Es ist jetzt 04:19 Uhr und gleich beginnt der Tag. Ich esse noch schnell ein Müsli und dann lege ich mich schlafen.