Julia Engelmann
Mein innerer Kosmos
Ich hatte fast vergessen,
wie es war, ich selbst zu sein.
Beinahe zufällig, jetzt endlich,
falle ich mir wieder ein.
Ich dachte, ich muss weg von hier,
um zu finden, was ich brauch.
Ich dachte, mein Zuhause
sei aus fremden Stein gebaut.

In meinem inneren Zimmer
sitzend fand ich heraus:
Es führt zu einer Wohnung,
die führt zu einem Haus.
Da trat ich aus dem Eingang
an die klare frische Luft,
von dort ging es immer weiter
in die Stadt, aufs Land, zum Fluss.

Mein innerer Kolumbus
fuhr nonstop auf hoher See,
wurde langsam unruhig.
Wozu die Odyssee
und sie jahrelange Suche,
ohne dass er etwas fand?
Da, ganz plötzlich sieht er das Ufer
und entdeckt ein neues Land.
An meinem inneren Pazifik
lag ich immer nur am Strand.
Vor der unbekannten Tiefen
hatte ich gewaltig Angst.
Dann ging ich einmal schwimmen,
und in den Wellen erkannte ich,
dass unter allen Fischen noch
mein eigenes Atlantis liegt.

In mir ist ein ganzer Kosmos,
der dehnt sich täglich aus.
Ich weiß nicht, wohin ich gehe,
aber auf jeden Fall nicht raus.

Hier bin ich Entdecker,
Abenteurer, Astronaut.
Du hast Schmetterlinge,
ich hab Galaxien im Bauch.
Durch meine blauen Adern
fließen riesige Gewässer.
Hinter meinen braunen Augen
liegen Landschaften und Länder.

Ich bin die Symbiose
aus Vergangenheit und Zukunft.
Und wenn ich nicht mehr weiß, wohin,
finde ich in mir selbst Zuflucht,
in meinem Weltraum ohne Ende,
dem Zuhause ohne Wände,
das ich überall hin schleppe
wie 'ne umgekehrte Schnecke.
Hier wird mir niemals langweilig,
ich werde niemals müde.
Ich breite meine Arme aus
und fange an zu fliegen.
Ich sehe keine Grenzen mehr,
ich sehe nur mein Ziel.
Vielleicht bin ich nicht unendlich,
doch ich bin unendlich viel.

Es liegt eine Klarheit auf den Dingen
wie nach 'ner zweiten Pubertät.
In mir erwacht, pulsiert, bewegt
sich eine Großstadt, die nie schläft.
In mir drehen sich Planeten
wie im Sonnensystem.
Vielleicht habe ich nie zuvor
so nah bei mir gelebt.

Ich wünsche mir, nie mehr zu gehen.
Und ich wünschte, du könntest das sehen.

In mir ist ein gazer Kosmos,
der dehnt sich täglich aus.
Ich weiß nicht, wohin ich gehe,
hier ist alles, was ich brauche.
Nach außen bin ich leise,
doch hier drinnen bin ich laut.
Dass ich so vielen in mir finde,
hätte ich niemals gelaunt.
Ich hatte fast vergessen,
wie es war, ich selbst zu sein,
und ganz zufällig, jetzt endlich,
falle ich mir wieder ein.

Es ist ein Missverständnis.
Ich hab jahrelang gedacht,
in mir sei nur ein Zimmer,
und dann wurde es ein Land.
Es wurde ein Universum,
und mit Liebe und Verstand
habe ich mein Zuhause
in mir selber gerade erkannt.