Julia Engelmann
Abschiedsparty Ohne Dich
Das erste, was ich von die sah,
war dein offenes Gesicht.
Da kannte ich nicht mal deinen Namen,
und jetzt schon hast du ein Gedicht.
Das lief doch eine Weile echt
recht schön für dich und mich.
Trotzdem ist das hier
deine Abschiedsparty ohne dich.

Vor knapp eineinhalb Wochen
hab ich zuletzt mit dir gesprochen,
und mit diesem Blick, der Bände spricht,
hast du gesagt, dass es zu Ende ist.
Wenn ich heute daran denke,
sitzt mir der Schock noch in den Knochen.

An dich denken muss ich trotzdem,
muss uns Revue passieren lassen,
weil ich doch krass überrascht bin,
wie wenig wir zusammenpassten,
obwohl wir uns doch mochten.
Das will mir nicht aus dem Kopf gehen.

Mir scheint, du hast ein zweites,
viel geheimeres Gesicht,
und eigentlich verdienst du
gar kein eigenes Gedicht.
Denn du hast dich entschieden,
gegen uns und gegen mich,
deshalb feiere ich allein
'ne Abschiedsparty ohne dich.
Ich hab extra ’ne CD gebrannt
mit allen unseren Lieblingsliedern.
Dazu wird heute noch getanzt
und ab morgen dann nie wieder.
Ich esse unsere Schokolade,
und ich trinke unseren Saft,
auf uns beide: ex und weg.
Ich seh dich vor mir, wie du lachst,
auf unserem ersten Polaroidbild,
das jetzt zunehmend verblasst.

Das mit uns erschient mir so
wie ein weit entfernter Mond,
wie ein flüchtiger Parfüm-Spot
in Schwarz-Weiß und ohne Ton,
wie ein superkurzer Tagtraum,
den es kaum zu träumen lohnt -
gestern hab ich dir vertraut,
heute vergesse ich dich schon.

Und du? Du willst jetzt noch mal mit mir reden?

Ich war ein offenes Buch,
du nur ein knapper Klappentext.
Das ist nicht nur nicht genug,
sondern sogar ungerecht.
Ich hab mich in dir getäuscht,
so viel an uns war gar nicht echt.
Und obwohl ich nicht will,
seh ich dich lächeln in Flashbacks.
Und dann frag ich mich unentwegt,
ob du noch manchmal an mich denkst,
wohin du wohl als Nächstes gehst,
wohin du jetzt dein Leben lenkst.
Frag mich, wen du als Nächstes küsst
und bei wem du gerade bist.
Doch am meisten will ich wissen,
was so falsch gelaufen ist.

Und du? Du willst jetzt noch nicht mal mit mir reden?
Aber ich, ich will nur nicht mit dir reden,
ich wünschte, wir hätten überhaupt nie geredet.

Weißt du, warum Eichhörnchen immer
so viele Nüsse vergraben?
Weil sie vergessen, wo sie die bisherigen
versteckt haben.
Sie fangen immer wieder neu an,
mit der gleichen Kraft.
Ich wünschte, ich wäre wie sie.

Und ein allerletztes Mal
denke ich an dein Gesicht
und schreib die letzten Zeilen
in dein einziges Gedicht.
Auch ich hab mich entschieden,
für meine Werte und für mich,
und so endet schließlich
deine Abschiedsparty ohne dich.