Julia Engelmann
Jetzt (Wir Können Alles Sein, Baby)
Wir halten kurz die Luft an,
dann setzte wir zum Sprung an.
Und so tauchen wir ins Jetzt -
dahin, wo uns keiner kennt.
In ein Meer ohne Strände,
in ein Bild ohne Ränder.
In einen Fluss ohne Dämme,
in einen Beginn ohne Ende.

Wir bauen und ein Moonrise Kingdom
in dem Moment, in dem wir wohnen.
Wir tragen Kirschohrringe
zu weiten Kleidern aus Wind.
Auf unseren Köpfen thronen
selbstgebastelte Kronen
gemacht aus allem, was wir sind.
Wir sind beide der Häuptling
und auch beide ein Kind.

Wir schlafen unter lichtdurchfluteten Blätterdächern
und seidigen Sonnenstrahlendecken
in federweichen Flussbetten,
bewegen uns in Pirouetten.
Ich will nicht aufhören zu lächeln,
nicht aufhören, an uns zu denken.
All unsere Gänseblümchenketten -
sie werden nie verwelken.
Wir sitzen auf der Veranda
vom prachtvollsten Mammutbaumhaus,
zwischen Lianendschungelschaukeln
baumeln unsere Füße raus.
Ein roter Riesenradpaternoster
ist uns ein rundes Treppenhaus.
Hier ist alles so friedlich,
und die Aussicht ist schön.
Es gibt nichts zu verändern,
es gibt keinen Grund zu gehen.

Am Pavillon in Ombrefarben
leuchten unsere beiden Namen
in bunten Neonbuchstaben.
Wind wirft weißes Mandelbaumkonfetti
auf uns, und Pusteblumen paragliden
zwischen Papierfliegerpfauen umher,
Glühwürmchen landen leise
wie Kong-Ming-Laternen, nur kleiner,
und bilden ein funkelndes Meer.

Durch miamihimmelfarbenen Pupillen
hinter rhabarberschorlefarbenen Brillen
ist es wie in einem Glückskekskaleidoskop
zu sitzen.
Wir sind Phönixe beim Aufstehen
und am Abend kleine Eulen,
statt Kaffee gibt es Morgentau
zu Kokosflockenwolken.
Wir sind weiche Hängematten,
gespant zwischen eben und gleich,
wir haben unendlich viel Luft
und unendlich viel Zeit.
Wir sind ein Küstencabriofahrt,
offenes Harr und offenes Dach,
die keinen Anfang und kein Ende hat.
Wir sind frische Polaroidbilder,
alle Farben werden stärker,
und jeder neue Atemzug
fühlt sich so an wie mein erster.

Wir sind das Livekonzert
unseres Lieblingslieds,
zusammen singen wir den Remix
auf Repeat, auf Repeat.
Wir lachen in Slow Motion,
wir leben in Zeitlupe,
haben ein kleines bisschen Ewigkeit
in diesem Zwischenraum gefunden.

Wir malen mit Pastellstraßenkreide alle Wälder
aus unser Fantasie
auf die Wirklichkeit drauf.
Wir machen Mohnengel in Mohnfeldern,
das sieht aus der Zugvogelperspektive
ganz schön rätselhaft aus.
Wir springen über jeden Stein
und auch Tulpentrampolin,
und am Ende jeder Welt
sehen wir 'ne neue vor uns liegen.
Wir seilen uns von der Erde ab
in hunderttausend Galaxien.
Wir sind in die Unendlichkeit
und die Verliebtheit verliebt.
Wir sind bereit für jedes Wunder,
Superhelden, unverwundbar.
Wir sind gleich wahr und gleich leicht
inmitten endloser Freiheit.
Wir sind gleich groß und gleich stark,
und alles ist einfach.

Dieser Moment - er ist komplett perfekt,
und zum erste Mal weiß ich:
Ich lebe im Jetzt.

Ich hätte niemals geahnt,
dass wir zwei mal hier landen,
alles macht Sinn,
alles fügt sich zusammen.

Geh nicht, vergeh nicht,
bitte bleib noch bei mir,
lass meine Hand nie los,
dann verweilen wir hier.
Geh nicht, vergeh nicht,
komm, wir gehen noch ein Stück.
Alles, was du mir gibst,
gebe ich dir zurück.
Wir tauchen nie auf,
immer weiter hinein,
und in unseren Gedanken
kehren wir endlich heim.