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Denn alle ästhetische Entscheidungen sind im Grunde moralische. Das verstehe ich nicht, sagte der Junge. Ich dachte ästhetische Entscheidungen können ganz und gar unmoralisch sein. Denken Sie an die Geschichte von dem Künstler, der Frau und Kind verließ, um malen zu können. Oder Nero, der die Harfe spielte, während Rom branntе. Beides waren moralischе Entschlüsse, beide dienten in der Vorstellung des Künstlers einem höheren Gott. Der Widerspruch liegt zwischen der Moral des Künstlers und der Moral der Gesellschaft, nicht zwischen Ästhetik und Moral. Aber das wird oft nicht verstanden. Und darin liegt die Tragödie. Ein Künstler zum Beispiel, der Farben spielt, glaubt er habe etwas unvermeidliches und auch unmoralisches getan, und sieht sich in Ungnade gefallen. Die Folge ist Verzweiflung. Oder Verantwortungslosigkeit. Als ob die Moral eine Welt aus Glas wäre, die durch eine einzige Tat in Scherben gehen könnte. Es wäre daher fatal, die Schuld für persönliche Probleme oder Krankheiten nur auf äußere Ursachen zu schieben. Unsere Erfindungsgabe ist ja bekanntermaßen unerschöpflich und kein Vorwand ist uns zu dumm, wenn er nur hilft über unsere Eigenverantworlichkeit hinwegzutäuschen. Und so suchen wir allzu gern die Sündenböcke außerhalb von uns und zwar überall dort, wo es gerade plausibel erscheint. Dies können Menschen, Pilze, die Politik, die Umweltverschmutzung, die Wirtschaftslage oder auch eine Störzone sein