Edgar Wasser
14.11.14
Heute ist der 14. November 2014...

Erst kam das „Stockholm-Syndrom", dann die Internetblogs
Und heute ist der Tag, an dem „Tourette-Syndrom“ kommt
Heute bin ich aufgewacht und machte den Laptop an
Und schaute mir die iTunes- und Amazon-Bewertung'n an:
Ist mir wohl doch nicht egal, was ihr denkt...
Tut mir Leid, liebe Fans!
Mein Manager meinte, ich solle noch eine EP machen –
Bedankt euch bei ihm für das Paket in euer'm Briefkasten
Für die Box in euer'm Briefkasten
Für die drei Sticker und den Billigstoff in euer'm Briefkasten!
Für die Bestellbestätigungs-E-Mail von Amazon
Und für die Mitarbeiter, die da schuften für ’nen Mindestlohn!
Ist doch so! Ja, ich hatte künstlerische Grundsätze
Aber jetzt geht es halt irgendwie um Umsätze
Was’n Scheiß, ein paar tausend CDs pressen lassen
Um dann nur rumzuheulen: „Wir dürfen kein Minus machen!“
Ich bin nicht angepisst
Ich hab nur das Gefühl, dass alles anders ist, seitdem es um diese Platte ging
Ich meine, sind bestimmt alles coole Erfahrungen
Doch vielleicht bin ich einfach nicht vereinbar mit Marketing...
Was ich sagen will, ist, dass ich das Gefühl habe
Dass ich grade an Mucke machen den Spaß verlier’ –
Auf einmal führ’ ich irgendwelche Diskussionen
Darüber, wie und wann ich Videos bei Facebook poste:
„Da muss noch ’n Link hin!“, „Da muss noch ’ne Zeile weg!“
„Glaub mir, die Fans klicken niemals auf ‚Mehr anzeigen’!“
Und wenn wir schon beim Thema sind und einigermaßen ehrlich sind:
Wie lächerlich sind denn bitte bezahlte Facebook-Werbungen?!
Jap, ich bin ein Scheißkapitalist
Wenn du ein wahrer Fan bist, dann nimm dein Like wieder zurück
Ich wollte nie so werden, wie ich es grad bin...
Aber alles halb so schlimm
Ich schrieb einen Song namens „Bad Boy“, der gegen Sexismus ist
Doch irgendwie verstanden die meisten Menschen die Message nicht
War mir klar, dass ich missverstanden werde
Aber nicht dass Leute sagen, ich sprech’ ihnen aus der Seele!
Dass ich recht hätte, dass HipHop nicht für Frauen sei –
„Die Vergewaltigungsline geht zu weit, aber der Rest ist geil!“
Ist halt so ’ne Sache mit Ironie...
Ich dachte ernsthaft, dieser Song wäre konstruktiv!
Dass Leute drüber nachdenken würden, was ich sagen will
Doch ob mir das gelungen ist? Frag doch mal Visa Vie!
Tut mir Leid. Ohne Scheiß, ich versteh’ das, wenn du meinst
Dass ich dir keinen Gefallen getan habe mit der Line...
Und manche Leute sagen, ich würde mir nicht treu bleiben
Weil ich einen Autotune-Song schreibe
Ist das nicht irgendwie ein Widerspruch in sich?
Wer hat den Autotune-Song denn geschrieben? Hä? Ich
Andererseits habt ihr vielleicht alle Recht
Und ich bin Herr Sorge geworden: Mache nur noch Dreck
Lackiere mir meine Fingernägel, schminke mich im Spiegel
Und produziere Müll, den keiner außer mir hör’n will!
Doch immerhin ist es noch mein Müll, oder?
Doch besser wäre vielleicht kein Müll, oder?!
Noch besser wäre es, wenn mir das alles wieder Spaß macht
Doch Wirtschaft und Kunst sind keine kompatiblen Partner