Der Hofmarschall und Ferdinand.
Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester –
Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein – und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Glück noch der Finder.
Hofmarschall. Sie?
Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.
Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.
Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto besser als Kuppler an.
(Während Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.)
Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon machen). Verflucht!
Ferdinand (führt ihn am Arm zurück). Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen dünken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. (Hier zeigt er ihm die Pistolen.)
Hofmarschall (tritt bestürzt zurück). Sie werden vernünftig sein, Bester.
Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie! – Ich hab's von der Buhlerin.
Hofmarschall. Über dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?
Ferdinand. Faß dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schießen, Memme! – Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, daß du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafür wird gebeten sein. (Er überholt ihn und riegelt die Thür.)
Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron?
Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte? – Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geräusch, das du in der Welt machst – Schlag an!
Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann?
Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu thun.
Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.
Ferdinand. Du, Bursche? Was, du? – Der Nothnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu führen über die Stuhlgänge deines Herrn und der Miethgaul seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich führe dich, wie irgend ein seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit deinen höfischen Künsten die ewige Verzweiflung belustigen.
Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben – Nur die Pistolen weg!
Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn! – Dasteht dem sechsten Schöpfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tübinger Buchhändler dem Allmächtigen nachgedruckt hätte! – Schade nur, ewig Schade für die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schädel wuchert. Diese einzige Unze hätte dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht – Und mit Diesem ihr Herz zu theilen? – Ungeheuer! Unverantwortlich! – Einem Kerl, mehr gemacht, von Sünden zu entwöhnen, als dazu anzureizen.
Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.
Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirthschaft des Himmels, der auch mit Träbern und Bodensatz noch Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Höfling im Schlamme der Majestäten den Tisch deckt – Zuletzt erstaunt man noch über die große Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet – Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es (den Marschall fassend und unsanft herumschüttelnd) so, und so, und wieder so durcheinander quetschen.
Hofmarschall (für sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg wäre! Hundert Meilen von hier, im Bicêtre zu Paris, nur bei Diesem nicht!
Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du genossest, wo ich anbetete? (wüthender) Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fühlte. (Plötzlich schweigt er, darauf fürchterlich.) Dir wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn im Himmel begegnete! – Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!
Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen.
Ferdinand. O! es muß reizender sein, mit diesem Mädchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwärmen – Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie könnte den Werth der Seele herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfälschen. (Dem Marschall die Pistole aufs Herz drückend.) Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!
Hofmarschall. Es ist nichts – ist ja Alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.
Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Bösewicht? – Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!
Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja – so hören Sie doch nur – Ihr Vater – Ihr eigener, leiblicher Vater –
Ferdinand (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!
Hofmarschall. Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.
Ferdinand (zurücktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr? – Die Miller ist ist verloren um deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg? – Fort, schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stößt ihn aus dem Zimmer.) Für deines Gleichen ist kein Pulver erfunden!