Friedrich Nietzsche
Einsamkeit II
Dein letzten Philosophen nenne ich mich
Denn ich bin der letzte Mensch
Niemand redet mit mir, nur ich selbst
Und meine Stimme kommt wie die eines Sterbenden zu mir
Mit dir, geliebte Stimme, lass mich nur ein Weilchen verkehren
Durch dich täusche ich mir die Einsamkeit weg
Und lüge mich in die Vielheit
Denn mein Herz erträgt den Schauer der einsamsten Einsamkeit nicht
Und zwingt mich zu reden, als ob ich zwei wär
Höre ich nicht noch meine Stimme?
Dein Fluch sollte die Eingeweide dieser Welt zerbersten machen
Aber die Welt lebt noch
Und schaut mich nur noch kälter mitleidloser an
Furchtbare Einsamkeit, mich umstarrt die Natur
Geier schweben über mir und so rufe ich in's Weltall :
Gib Vergessen, vergessen!
Nein, ich will das Leiden ertragen
Ich suche die Einsamkeit, um mich vor der Vielsamkeit zu schützen
Wenn du sie anders suchst, so wird sie dich schwach machen
Man soll sich in die Einsamkeit begeben
Erst wenn man stark genug dafür ist, nicht vorher
Viele Menschen leiden an der Einsamkeit
Wer die Einsamkeit nicht ertragen kann
Der gehe im Strom der Welt zurück
Es kämpft jeder seine Schlacht allein
Wer nicht erträgt die Einsamkeit, der nicht liebt die Freiheit