Reinhard Mey
Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill'gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut' trink ich meinen Freunden nach!

Bei diesem Glas denk' ich zurück
An euch, mit denen ich ein Stück
Auf meinem Weg gegangen bin
Mit diesem Glas trink' ich im Sinn
Nach Süden, Osten, West und Nord
Und find' Euch in Gedanken dort
Wo immer Ihr Zuhause seid
Seh' die Gesichter nach der Zeit
In meinem Glas vorüberzieh'n
Verschwommene Fotografien
Die sich wirr aneinanderreih'n
Und ein paar Namen fall'n mir ein
Und ein paar Namen fall'n mir ein

Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill'gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut' trink ich meinen Freunden nach!

Karl, der sich nicht zu schade fand
Der, wenn es mulmig um mich stand
So manche Lanze für mich brach
Auf Klaus, der viel von Anstand sprach
Und der mir später – in der Tat -
Die beste Pfeife geklaut hat
Mein Zimmernachbar bei Frau Pohl
Der nach Genuss von Alkohol
Mein Zimmer unerträglich fand
Und alles kleinschlug, kurzerhand
So übte der sich damals schon
In Sachen Weltrevolution
In Sachen Weltrevolution
Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill'gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut' trink ich meinen Freunden nach!

Dem stets betrunk'nen Balthasar
Der immer, wenn er pleite war
Seinen Kredit bei mir bekam
Und wenn ich mich selbst übernahm
Dann zahlte stets der Franz für mich
Bis Balthasar die Schuld beglich
Volker und Georg, die mit mir
Brüderlich teilten Schnaps und Bier
Die fahr'n zu dieser Zeit voll Rum
Auf irgendeinem Pott herum
Auf irgendeinem Ozean
Und spinnen neues Seemannsgarn
Und spinnen neues Seemannsgarn

Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill'gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut' trink ich meinen Freunden nach!

Verwechs'le ich Euch, vergaß ich dich
Lässt mich mein Gedächtnis im Stich?
Manches ist schon so lange her
Kenn' ich nicht alle Namen mehr
So kenn' ich die Gesichter doch
Und erinnere mich noch
Und widme Euch nicht wen'ger Raum
Geschrieben haben wir uns kaum –
Denn eigentlich ging keiner fort
In einer Geste, einem Wort
In irgendeiner Redensart
Lebt Ihr in meiner Gegenwart
Lebt Ihr in meiner Gegenwart
Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill'gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut' trink ich meinen Freunden nach!