Reinhard Mey
Hasengebet
Mein sehr geehrter, hoher Herr Ministerprsident
Den man in Stadt und Land als klug und weise
Als gtiger Menschenfreund, als Wohltter und Schngeist kennt
Ihr kreuzt im grnen Rocke meine Schneise
Ich seh' in Eure Flinte und ich seh Euch ins Gesicht
Ihr seht mich beide Vorderlufe heben
Lch bin ein friedfertiger Hase, bitte schiet mich nicht
Lch fleh' Euch an, verschont mein junges Leben!

Ich hab' Kinder wie Ihr und meine warten jetzt im Bau
Wie Eure zu Haus mit dem Mittagessen
Ich habe Freunde wie Ihr, und wie Ihr hab ich eine Frau
Und wie Ihr habe ich auch zwei Mtressen
Ich liebe alle und ich lieb das Leben, wie Ihr auch
Ich liebe den Kohl, den grnen wie den weien
Ich knabbre zarte Mhren und ich nage frischen Lauch
Allein ins Gras mcht ich heut noch nicht beien!

Fehlt es Euch denn an Nahrung? Nein, ihr seid so wohlgenhrt
Ich droh Euch nicht, ich seh' Euch nicht in Nten
Doch wenn es nicht aus Hunger ist, Ihr Euch aus Not nicht wehrt
Wollt Ihr mich dann aus Lust am Tten tten?
Dann wren Eure schnen Reden von Gewaltverzicht
Von Abrstung und Frieden leere Phrasen
Das aber kann nicht sein, ein Mensch von Ehre schiet doch nicht
Auf einen ganz unbewaffneten Hasen!
Sagt halt, wenn Ihr zurck zu Eurer Jagdgesellschaft geht
Heimkehrend aus des tiefen Waldes Winkeln
Und Ihr Euch schmt, ganz ohne Hasenleiche dazustehn:
Ihr wolltet gar nicht jagen, nur mal pinkeln
Gesteht es doch der rohen Mrdermeute endlich ein:
Lhr seid kein Jger, ihr seid Pilzesammler!
Steckt Eure Flinte weg, nehmt diese Pfote und schlagt ein
Ihr mordet keinen Hasen, keinen Hirsch, kein wildes Schwein!
Dies kann der Anfang einer wunderbaren Freundschaft sein
Zwischen Ministerprsident und Rammler!