Reinhard Mey
Vater und Sohn
Ich nahm dich, als du klein warst, mit in dieser Flugmaschine
Die ich für uns von einem kleinen Flugzeugschrauber lieh
Du entertest schnell deinen Platz vorn rechts in der Kabine
Und hocktest dich auf meiner Kartentasche auf die Knie
So konntest du ganz knapp über die Motorhaube sehen
Kein Handgriff, kein Geräusch, kein Schalter, kein Knopf noch so klein
Kein Augenblick unseres Fluges sollte dir entgehen
Und erst im Ausroll'n nach der Landung schliefst du ruhig ein
Dann flogst du wohl in einem Traum in unendliche Fernen
Und steuertest dein Luftschiff in das Licht des Himmelblaus
Schlafend in deinem kleinen Sitz funktest du zu den Sternen
Und schlafend nach der Heimfahrt trug ich dich zurück ins Haus

Ich sitze neben dir in dieser großen Flugmaschine
Dut jetzt hinterm Steuer, und wir fliegen durch die Nacht
Vater und Sohn nochmal vereint in der dunklen Kabine
Vor uns die ganze Welt, hinter uns hundert Tonnen Fracht
Vor uns auf einem kleinen Schirm leuchten die Städtenamen
Aufgereiht alle Sehnsüchte auf einer Perlenschnur
Wie sie in meinen Kinderträumen Nacht für Nacht vorkamen:
Dschalalabad, Rangoon, Bangkok, Phnom Penh und Singapur
Und wenn wir landen werden, heimgekehrt von unserer Reise
Wirst du zu deinem kleinen Sohn nach Haus fahren und dann
Wird er dir um den Hals fall'n und dich auf dieselbe Weise
Ausfragen, wie du mich einst, und alles fängt von vorne an
Und ich brauch nicht viel Fantasie um dich und ihn zu sehen:
Vater und Sohn eng beieinander, und ich wünsche mir
Dass für euch - wie für uns einst - gute Jahre ins Land gehen
Und du einst bei ihm sitzen kannst, wie ich jetzt neben dir!