Reinhard Mey
Manchmal, da fallen mir Bilder ein
Manchmal, da fallen mir Bilder ein
Von großen Fenstern in Säulenhallen
Von Wänden und Treppen aus Marmorstein
Von Leuchtern mit funkelnden Kristallen
Von Feuern in offenen Kaminen
Von Betten, mit samtenen Baldachinen –
Der Teppich ist doch schon sehr abgetreten
Weißt du, ich rolle ihn einfach ein
Er passt sowieso nicht zu den Tapeten
Manchmal schäm ich mich
Nicht dort zu Hause zu sein

Manchmal, da fallen mir Bilder ein
Von bunten Markisen und weißen Sparlieren
Mit Heckenrosen und rankendem Wein
Von Gärten, die sich in der Ferne verlieren
Von Buchsbaum, zu Statuetten geschnitten
Ein Kiesweg knirscht vornehm unter den Schritten –
Die Blumen vorm Fenster sind müde und grau
Ich pflanz keine neuen mehr ein
Die blühen hier doch nicht, das weiß ich genau!
Manchmal schäm ich mich
Nicht dort zu Hause zu sein

Manchmal, da fallen mir Bilder ein
Vom Lachen weltgewandter Damen
Gebräunten Gesichtern bei Plaudereien
Bilder wie auf Zigarettenreklamen
Auf grünem Tuch vergoldete Harken
Beschlagene Gläser und bunte Spielmarken –
Meine Schuhe müssen mal wieder zum Schuster
Meine Freunde und ich trinken Bier anstatt Wein
Was das Bridgespieln betrifft, ist's bei mir zappenduster!
Manchmal schäm ich mich
Nicht einer von denen zu sein
Manchmal, da fallen mir Bilder ein
Von einem Stück Brot in verstümmelten Händen
Von einer Alten, die sie allein
Hervorzerren unter berstenden Wänden
Von verbrannten Gesichtern, in Händen vergraben
Manchmal schäm ich mich dafür
Mich geschämt zu haben!

Das wollt ich dir sagen
Hörst du mir noch zu?
Nein, du schläfst schon
Vom Tag wirst du müde sein
Ich lösche das Licht
Und ich deck dich wärmer zu
Manchmal schäm ich mich
Trotz allem so glücklich zu sein!