Reinhard Mey
Ich grüße
Ich liebe im Radio das Wunschkonzert
Erstens, weil es nicht so gräßlich an den Nerven zerrt
Zweitens, weil die Radioleute dann spiel'n, was wir woll'n
Und nicht nur das, was sie meinen, das wir hören soll'n
Und zum dritten, und das ist für mich das Schönste daran
Weil man alle lieben Zeitgenossen grüßen kann:

Ich grüße Klaus-Dieter in Lohne
Meinen Zahnarzt und Mama Leone
Karlheinz, Gisela, Engelchen, Susi und
Den dritten Mann und meinen inneren Schweinehund
Ich grüß' meinen Onkel in Xanten
Seinen Neffen und dessen Erbtanten
Das Finanzamt in Daun
Alle molligen Frau'n
Und auch sonst alle lieben Verwandten

Wo eine öffentliche Fernsehsendung ist
Da setz' ich mich ganz vorn ins Publikum mit Arg und List
Nicht, weil ich dort besser sehen kann, was da passiert
Oder weil die Sendung mich so maßlos fasziniert
Nein, da vorne, da kommt man ins Bild von Zeit zu Zeit
Und dann spring' ich auf und winke, und ganz Deutschland weiß Bescheid:

Ich grüße Frau Wietjes auf Baltrum
Bert beim Bund, na, die Zeit ist ja bald rum
Und dann grüße ich noch die Mutter der Nation
Und die Zeitansage im Telefon
Nina, Rosi und Kicki aus Schwerte
Trudchen, Ingeborg, Elmar und Gerte
Dicker, Bärchen und Maus
Und die Oma zu Haus
Und die Schwägerin Dagmar in Lehrte
Ich lasse auch keine Straßenumfrage aus
Na, da zieh' ich dann vom Leder, und die Sau laß' ich raus
Und im Eifer packe ich mir dann das Mikrofon
Und dann kriegen es Regierung und Opposition
Und das Schachern und das Schummeln, das verurteil' ich scharf
Und wenn ich außerdem noch eben etwas sagen darf:

Ich grüße Nachtschwester Brigitta
Und den 1. FC in Salzgitter
Die freiwillige Feuerwehr, den Männerchor
Die wüste Gabi und den kleinen Mann im Ohr
Ich grüße Iwanka und Serge
In Neustadt am Rübenberge
Und den TÜV in Berlin
Und die Engerln in Wien
Und Schneewittchen und die sieben Zwerge
Alle in West und Ost
Die Christel von der Post
Anna auf Helgoland
Und meine rechte Hand
Meine Frau, meine Kinder
Meinen Freund Karl Dall
Kurzum: Ich grüße alle und zwar überall