Tua
Vater
[Songtext zu „Vater“]

[Part 1]
Irgendwie wirkt er wie dreißig Jahre älter
Denk' ich, als ich ihm helfe mit alten Büchern im Keller
Ich sag': „Ich les' grade was von Transhumanisten
Die woll'n erreichen Alter als 'ne Krankheit zu listen“
Es fällt schon auf, wie viel er in der letzten Zeit gähnt
Er atmet ruhig, als er in seinem Sessel einschläft
Ich denk', er ist so viel kleiner als früher
Seine Haut ist aus weißem Papier
Ich wollte doch noch nach Krani mit ihm
Ich glaube, jetzt bleiben wir hier

[Part 2]
Er hat es schon 'ne Weile geahnt und keinem gesagt
Mitten in dem Chaos meines Tages erreicht mich die Nachricht
Nach falschen Diagnosen von alt bis Depressionen
Kommen die Ärzte zu dem Schluss: Alles ist verlor'n
Unheilbar, die sagen unheilbar
Wenn es hochkommt, dann hat er noch rund ein Jahr
Auf dem Weg in die Klinik passiert es um ein Haar
Und plötzlich ist ein Fragezeichen wo der Grundstein war
Palliativ, sie sagen palliativ
Was ist seine Perspektive, wenn er alles verliert?
Scheiß Wetter in Berlin, es ist kalt, es ist mies
Ich hab' Kopf für gar nix, nicht mal mehr Musik
[Part 3]
Flug 1708, Tegel nach Stuttgart
Mein Herz ist Sperrgepäck, wie viel ist die Nutzlast?
Ihn pflegen zu können macht es erträglicher
Oh, mein Vater, mein ukrainischer-schwäbischer
Sein altes Russland, adeliges Blut
Er kam mit nichts und machte es uns gut
Doch diese scheiß Krankheit macht kein Halt vor Helden
Ich kann da sein, doch ich kann ihm nicht mehr helfen und
Seine Stimme versagt, wenn er redet
Und neben dem Bett steht ein Atemgerät, das er Tag und Nacht trägt
Ich weiß, er will sterben, sobald es nur geht
Ich hasse mich dafür, doch will es auch, wenn ich ihn daliegen seh'

[Part 4]
Heute liege ich in seiner Nähe und kann nich schlafen
Nur aus Angst dadurch verpasse ich seinen letzten Atemzug
Ich les' die Nacht durch ein Buch über Sterbephasen und such'
Ein weißes Dreieck unter seiner Nase
Mein schwarzer Kaffee auf'm Fensterbrett
Morgensonne scheint auf das Sterbebett
Seine Atemzüge sind die Kommunikation
Ich sitz' neben ihm und höre stumm auf jeden Ton
Er ist irgendwo zwischen Schlaf und wach
Zwischen Leben und Tod, zwischen Tag und Nacht
Und andauernd nick' ich ein, als ich so da sitz'
Als ob ich ihn dort treffen will, wo er gerade ist
Friedliche Ruhe, draußen wird es warm jetzt
Der Tod kommt nicht traurig, nur pragmatisch
[Part 5]
Jetzt gerade stirbt mein Vater
Ich höre, wie er ausatmet
Als ob er 'nen schweren Satz gesagt hätte
Dann gar nichts
Ich renne zum Bad hinüber
Hole Mama, zwei letzte Atemzüge
Wir halten seine Hände fest
Und spüren, das ist das Ende jetzt
Ich sag: „Danke für alles, Papa
Danke, dass du da warst
Du warst mir ein wunderbarer Vater“

[Part 6]
Ich laufe durch die Gegend und wein'
Spätsommer, Tränen, Sonne und Regen zugleich
Ja, ich weiß, es ist besser für ihn, wie es jetzt ist
Doch es tut so weh, dass er für immer weg ist
Sie bringen ihn nochmal ins Zimmer mit seinem Namen
Drinnen ist es karge, Stille und der Sarg
Ich sitze die Zeit tot, bis sie dort ist, wo er ist
Fromme Worte füllen keinen Platz, der leer ist

[Part 7]
Doch mit der Zeit findet all das seinen Platz
An dem ich regelmäßig halt mach', wenn es passt
Hier steh' ich jetzt und bin dankbar, unendlich dankbar
Für die Zeit, die wir zusammen war'n
Für bedingungslose Liebe
Auch wenn ich sie nich immer so verdiente
Dankbar für alles was er war und noch ist
Mein Vater und ich