Julia Engelmann
Fahrradreparatur
Da steht ein Fahrrad an der Ecke,
an dem Zaun vor meinem Haus.
Na ja, eigentlich der Rahmen,
denn der Rest wurde geklaut.
Es steht da schon seit Tagen,
und niemand holt es ab,
und - wie soll ich das jetzt sagen? -
du erinnerst mich daran.
Dieses Fahrrad an der Ecke,
an dem Zaun vor meinem Haus,
das wurde wohl vergessen,
und das macht mich ziemlich traurig.
Ich kenne es nur vom Sehen,
denn es ist ja gar nicht meins,
es war mal wirklich schön,
und jetzt tut es mir sehr leid.
Ich frag mich immer wieder,
ob ich dir davon erzähle,
denn es wäre sicher leichter,
wenn wir nicht darüber reden.
Denn es ist immer leichter,
wenn wir nicht darüber reden.
Wobei, eigentlich nur scheinbar,
denn das löst ja nie Probleme.
All deine Schwierigkeiten
waren auch schon vor mir da,
bleiben dein, auch wenn ich schweige,
deshalb kann ich's dir auch sagen:
Du siehst seit einer Weile
ganz genau so traurig aus,
du bist immer so leise,
und du gehst zu wenig raus.
Du gehst verdächtig krumm
und lachst eigentlich kaum.
Sag, warum bist du so stumm?
Sag, was ist es, was du brauchst?
Weißt du, seit ich etwas darauf achte,
sehe ich in der ganzen Stadt
so viele Räder, die kaputt sind,
und ich finde das echt krass.
Für das Fahrrad an der Ecke,
an dem Zaun von meinem Haus,
werde ich Kette, Sattel, Reifen
und Montagewerkzeug kaufen.
Ich kann es nicht reparieren,
denn ich hab ja keinen Schlüssel.
Wenn der Besitzer von mir wüsste,
vielleicht wäre er dann glücklich.
Solltest du ihn treffen,
sag ihm, ich bin immer da.
Und ich gehe auch nicht weg,
denn ich liebe dieses Rad.