Julia Engelmann
Herbstlaub
Es gibt nicht schöneres als Herbstlaub,
doch es macht mich traurig,
und der Himmel sieht so ernst aus,
wenn er nicht so blau ist.
Ich glaub, Schreiben ist nur Silber,
aber Leben ist das Gold,
und mein Jahr ist voller Bilder,
aber ich hab mehr gewollt.
Ich hab Angst vor meinen Wünschen,
ich hab Angst vor Liebe,
denn ich weiß, wenn du davon wüsstest,
wärst du nicht geblieben.
Meine Sehnsucht macht sich hörbar,
immer lauter, doch ich ändere nichts,
die Angst vorm Tod wird größer,
wenn das Leben voller Mängel ist.
Es quält mich, dass ich dich enttäusche,
wenn ich anfange, mir zu nehmen,
was ich eigentlich längst bräuchte,
um mein wahres Ich zu leben.
Du fragst es mich aus vollem Herbst:
"Ist das nicht dein wahres Ich?"
Ich glaube, nein, denn warum schmerzt
mich sonst, was deine Frage ist?
Ich schaute heut nur auf den Garten,
gerne wär ich durchgegangen.
Muss ich auf den Frühling warten,
um von vorne anzufangen?
Sonnenblumen werden schwarz,
lassen ihre Häupter hängen,
doch ich heb das meine an,
ich will an was Neues denken.
Sag, was dunks du, schönes Laub,
sag mir, bist du auch so traurig?
Bald erstehst du wieder auf,
dann sehen wir uns wieder, glaub ich.
Sag, was denkst du, schönes Laub,
sag mir, bist du auch so traurig?
Bald löst du dich wieder auf
und in ein paar Wintern auch ich.