Friedrich Nietzsche
Beschwörung
O wenn es wahr, daß in der Nacht
Wann alle ruhen, die da leben
Und wann die Mondesstrahlen sacht
Herab auf Leichensteine schweben
O wenn es wahr ist, daß alsdann
Die Gräber öffnen sich, die stillen
Ruf' ich, harr' ich um Leila's willen;
Zu mir, mein Lieb, heran, heran!

Zeig dich, geliebter Schatten, gleich
Wie du erschienest vor dem Scheiden
Wie Wintertag so kalt, so bleich
Entstellt vom letzten Todesleiden;
Schweb' wie ein ferner Stern heran
Wie leiser Klang, wie Windeswehen
Wie ein Gesicht, schrecklich zu sehen
Mir alles gleich: heran! heran!

Ich rufe dich, nicht darum, nein!
Um jener Bosheit anzuklagen
Die tödteten den Engel mein;
Nicht Grabesrätsel zu erfragen
Nicht darum, weil mich dann und wann
Der Zweifel quält... ich will nur schmerzlich
Dir sagen, daß ich liebe herzlich
Daß ich ganz dein bin! heran! heran!