Udo Jürgens
Der Zirkus darf nicht sterben
Er war ein König, doch sein Reich war klein
Ein Wanderzirkus unter grauem Zelt
Und dieses Rund aus Flitter, Traum und Schein
War eine wunderbare Zauberwelt
Er sah so gern die Kinderaugen strahlen
Ihr Lachen hat ihn reich und froh gemacht
Er konnte oft die Schulden nicht bezahlen
Und hat dafür geschuftet Tag und Nacht
Er hatte seinem Sohn nichts zu vererben
Als diesen Wunsch: Der Zirkus darf nicht sterben!
Schimmel, komm', es geht nicht weiter
Deine Kunst ist nichts mehr wert
Bitte sag' mir, welcher Reiter
Kauft sich schon ein Zirkuspferd
Schau mich nicht so an, mein Brauner
Wir verloren unser Spiel
Nur der Metzger, dieser Gauner
Zahlt noch einen Pappenstiel...
Der Sohn hielt durch und blieb im Zirkuswagen
Mit ihm die Not aus alter Tradition
Er hat sich tapfer durch die Welt geschlagen
Die ärmer wurde, ohne Illusion
Doch wenn sich auch die Kasse nicht mehr füllte
Das Glänzen in den Kinderaugen blieb
Wenn sich die bunte Wunderwelt enthüllte
So war sein letzter Wille, als er schrieb:
Ihr werdet große Schätze nie erwerben
Trotzdem versprecht: Der Zirkus darf nicht sterben!
Ein Stück Zucker noch, mein Schimmel
Für den Hafer langt's nicht mehr
Bald bist du im Pferdehimmel
Mach' den Abschied nicht so schwer
Brauner, träume von den Tagen
Als du stolz im hellen Licht
Deinen Kopf so hoch getragen
Dann spürst du das Ende nicht...
Es ist vorbei, der Enkel schnürt den Ranzen
Da steht ein kleiner Bub bei ihm und lacht:
Wann läßt du wieder deine Pferde tanzen?
Wann kommt der Clown, der immer Witze macht?
Erwartungsvolle Kinderaugen strahlen
Und das ist mehr, als das verfluchte Geld
Solang' sie noch mit dieser Münze zahlen
Gehört der Zirkustraum in ihre Welt
Schlagt nicht dies' Kinder-Wunderland in Scherben
Helft alle mit: Der Zirkus darf nicht sterben!