Franz Schubert
Die vier Weralter
Wohl perlet im Glase der purpurne Wein
Wohl glänzen die Augen der Gäste
Es zeigt sich der Sänger, er tritt herein
Zu dem Guten bringt er das Beste
Denn ohne die Leier im himmlischen Saal
Ist die Freude gemein auch beim Nektarmahl
Ihm gaben die Götter das reine Gemüth
Wo die Welt sich, die ew'ge, spiegelt
Er hat alles gesehn, was auf Erden geschieht
Und was uns die Zukunft versiegelt
Er saß in der Götter urältestem Rath
Und behorchte der Dinge geheimste Saat
Er breitet es lustig und glänzend aus
Das zusammengefaltete Leben
Zum Tempel schmückt er das irdische Haus
Ihm hat es die Muse gegeben
Kein Dach ist so niedrig, keine Hütte so klein
Er führt einen Himmel voll Götter hinein
Und wie der erfindende Sohn des Zeus
Auf des Schildes einfachem Runde
Die Erde, das Meer und den Sternenkreis
Gebildet mit göttlicher Kunde
So drückt er ein Bild des unendlichen All
In des Augenblicks flüchtig verrauschenden Schall
Er kommt aus dem kindlichen Alter der Welt
Wo die Völker sich jugendlich freuten
Er hat sich, ein fröhlicher Wandrer, gesellt
Zu allen Geschlechtern und Zeiten
Vier Menschenalter hat er gesehn
Und läßt sie am Fünften vorübergehn
Erst regierte Saturnus schlicht und gerecht
Da war es Heute wie Morgen
Da lebten die Hirten, ein harmlos Geschlecht
Und brauchten für gar nichts zu sorgen
Sie liebten und thaten weiter nichts mehr
Die Erde gab alles freiwillig her
Drauf kam die Arbeit, der Kampf begann
Mit Ungeheuern und Drachen
Und die Helden fingen, die Herrscher, an
Und den Mächtigen suchten die Schwachen
Und der Streit zog in des Skamanders Feld
Doch die Schönheit war immer der Gott der Welt
Aus dem Kampf gieng endlich der Sieg hervor
Und der Kraft entblühte die Milde
Da sangen die Musen im himmlischen Chor
Da erhuben sich Göttergebilde!
Das Alter der göttlichen Phantasie
Es ist verschwunden, es kehret nie
Die Götter sanken vom Himmelsthron
Es stürzten die herrlichen Säulen
Und geboren wurde der Jungfrau Sohn
Die Gebrechen der Erde zu heilen
Verbannt ward der Sinne flüchtige Lust
Und der Mensch griff denkend in seine Brust
Und der eitle, der üppige Reiz entwich
Der die frohe Jugendwelt zierte
Der Mönch und die Nonne zergeisselten sich
Und der eiserne Ritter turnierte
Doch war das Leben auch finster und wild
So blieb doch die Liebe lieblich und mild
Und einen heiligen keuschen Altar
Bewahrten sich stille die Musen
Es lebte, was edel und sittlich war
In der Frauen züchtigem Busen
Die Flamme des Liedes entbrannte neu
An der schönen Minne und Liebestreu
Drum soll auch ein ewiges zartes Band
Die Frauen, die Sänger umflechten
Sie wirken und weben Hand in Hand
Den Gürtel des Schönen und Rechten
Gesang und Liebe in schönem Verein
Sie erhalten dem Leben den Jugendschein