Friedrich Schiller
Wilhelm Tell - Kapitel 15
                                             Dritte Szene

Die hohle Gasse bei Küssnacht. Man steigt von hinten zwischen Felsen herunter und die Wanderer werden, ehe sie auf der Szene erscheinen, schon von der Höhe gesehen. Felsen umschließen die ganze Szene, auf einem der vordersten ist ein Vorsprung mit Gesträuch bewachsen.

Tell tritt auf mit der Armbrust:
Durch diese hohle Gasse muss er kommen,
Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht – Hier
Vollend ich's – Die Gelegenheit ist günstig.
Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm,
Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen,
Des Weges Enge wehret den Verfolgern.
Mach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt,
Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.
Ich lebte still und harmlos – Das Geschoss
War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,
Meine Gedanken waren rein von Mord –
Du hast aus meinem Frieden mich heraus
Geschreckt, in gärend Drachengift hast du
Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,
Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt –
Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,
Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.
Die armen Kindlein, die unschuldigen,
Das treue Weib muss ich vor deiner Wut
Beschützen, Landvogt – Da, als ich den Bogenstrang
Anzog – als mir die Hand erzitterte –
Als du mit grausam teufelischer Lust
Mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegen –
Als ich ohnmächtig flehend rang vor dir,
Damals gelobt ich mir in meinem Innern
Mit furchtbarm Eidschwur, den nur Gott gehört,
Dass meines nächsten Schusses erstes Ziel
Dein Herz sein sollte – Was ich mir gelobt
In jenes Augenblickes Höllenqualen,
Ist eine heil'ge Schuld, ich will sie zahlen.
Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt,
Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt
Was du – Er sandte dich in diese Lande,
Um Recht zu sprechen – strenges, denn er zürnet –
Doch nicht um mit der mörderischen Lust
Dich jedes Greuels straflos zu erfrechen,
Es lebt ein Gott zu strafen und zu rächen.
Komm du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen,
Mein teures Kleinod jetzt, mein höchster Schatz –
Ein Ziel will ich dir geben, das bis jetzt
Der frommen Bitte undurchdringlich war –
Doch dir soll es nicht widerstehn – Und du
Vertraute Bogensehne, die so oft
Mir treu gedient hat in der Freude Spielen,
Verlass mich nicht im fürchterlichen Ernst.
Nur jetzt noch halte fest du treuer Strang,
Der mir so oft den herben Pfeil beflügelt –
Entränn er jetzo kraftlos meinen Händen,
Ich habe keinen zweiten zu versenden.
              Wanderer gehen über die Szene.

Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen,
Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet –
Denn hier ist keine Heimat – Jeder treibt
Sich an dem andern rasch und fremd vorüber,
Und fraget nicht nach seinem Schmerz – Hier geht
Der sorgenvolle Kaufmann und der leicht
Geschürzte Pilger – der andächt'ge Mönch,
Der düstre Räuber und der heitre Spielmann,
Der Säumer mit dem schwer beladnen Ross,
Der ferne herkommt von der Menschen Ländern,
Denn jede Strasse führt ans End der Welt.
Sie alle ziehen ihres Weges fort
An ihr Geschäft – und meines ist der Mord!

                                       Setzt sich.

Sonst wenn der Vater auszog, liebe Kinder,
Da war ein Freuen, wenn er wiederkam,
Denn niemals kehrt' er heim, er bracht euch etwas,
War's eine schöne Alpenblume, war's
Ein seltner Vogel oder Ammonshorn,
Wie es der Wandrer findet auf den Bergen –
Jetzt geht er einem andern Weidwerk nach,
Am wilden Weg sitzt er mit Mordgedanken.
Des Feindes Leben ist's, worauf er lauert.
– Und doch an euch nur denkt er, lieben Kinder,
Auch jetzt – Euch zu verteid'gen, eure holde Unschuld
Zu schützen vor der Rache des Tyrannen
Will er zum Morde jetzt den Bogen spannen!
                                       Steht auf.

Ich laure auf ein edles Wild – Lässt sich's
Der Jäger nicht verdrießen, tagelang
Umherzustreifen in des Winters Strenge,
Von Fels zu Fels den Wagesprung zu tun,
Hinanzuklimmen an den glatten Wänden,
Wo er sich anleimt mit dem eignen Blut,
– Um ein armselig Grattier zu erjagen.
Hier gilt es einen köstlicheren Preis,
Das Herz des Todfeinds, der mich will verderben.

Man hört von ferne eine heitre Musik, welche sich nähert.

Mein ganzes Leben lang hab' ich den Bogen
Gehandhabt, mich geübt nach Schützenregel,
Ich habe oft geschossen in das Schwarze,
Und manchen schönen Preis mir heimgebracht
Vom Freudenschießen – Aber heute will ich
Den Meisterschuss tun und das Beste mir
Im ganzen Umkreis des Gebirgs gewinnen.

Eine Hochzeit zieht über die Szene und durch den Hohlweg hinauf. Tell betrachtet sie, auf seinen Bogen gelehnt, Stüssi der Flurschütz gesellt sich zu ihm.

Stüssi:
Das ist der Klostermei'r von Mörlischachen,
Der hier den Brautlauf hält – Ein reicher Mann,
Er hat wohl zehen Senten auf den Alpen.
Die Braut holt er jetzt ab zu Imisee,
Und diese Nacht wird hoch geschwelgt zu Küssnacht,
Kommt mit! 's ist jeder Biedermann geladen.
Tell:
Ein ernster Gast stimmt nicht zum Hochzeitshaus.

Stüssi:
Drückt Euch ein Kummer, werft ihn frisch vom Herzen,
Nehmt mit was kommt, die Zeiten sind jetzt schwer.
Drum muss der Mensch die Freude leicht ergreifen.
Hier wird gefreit und anderswo begraben.

Tell:
Und oft kommt gar das eine zu dem andern.

Stüssi:
So geht die Welt nun. Es gibt allerwegen
Unglücks genug – Ein Ruffi ist gegangen
Im Glarner Land und eine ganze Seite
Vom Glärnisch eingesunken.

Tell:
Wanken auch
Die Berge selbst? Es steht nichts fest auf Erden.

Stüssi:
Auch anderswo vernimmt man Wunderdinge.
Da sprach ich einen, der von Baden kam.
Ein Ritter wollte zu dem König reiten,
Und unterwegs begegnet ihm ein Schwarm
Von Hornissen, die fallen auf sein Ross,
Dass es für Marter tot zu Boden sinkt,
Und er zu Fuße ankommt bei dem König.

Tell:
Dem Schwachen ist sein Stachel auch gegeben.

Armgard kommt mit mehreren Kindern und stellt sich an den Eingang des Hohlwegs.

Stüssi:
Man deutet's auf ein großes Landesunglück,
Auf schwere Taten wider die Natur.

Tell:
Dergleichen Taten bringet jeder Tag,
Kein Wunderzeichen braucht sie zu verkünden.

Stüssi:
Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,
Und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.

Tell:
Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.

Tell sieht oft mit unruhiger Erwartung nach der Höhe des Weges.

Stüssi:
Gehabt Euch wohl – Ihr wartet hier auf jemand?

Tell:
Das tu ich.

Stüssi:
Frohe Heimkehr zu den Euren!
– Ihr seid aus Uri? Unser gnäd'ger Herr
Der Landvogt wird noch heut von dort erwartet.

Wanderer kommt:
Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Wasser
Sind ausgetreten von dem grossen Regen,
Und alle Brücken hat der Strom zerrissen.

                                       Tell steht auf.

Armgard kommt vorwärts:
Der Landvogt kommt nicht!

Stüssi:
Sucht Ihr was an ihn?

Armgard:
Ach freilich!

Stüssi:
Warum stellet Ihr Euch denn
In dieser hohlen Gass ihm in den Weg?

Armgard:
Hier weicht er mir nicht aus, er muss mich hören.

Friesshardt kommt eilfertig den Hohlweg herab, und ruft in die Szene:
Man fahre aus dem Weg – Mein gnäd'ger Herr
Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.

                                             Tell geht ab.

Armgard lebhaft:
Der Landvogt kommt!

Sie geht mit ihren Kindern nach der vordern Szene. Gessler und Rudolf der Harras zeigen sich zu Pferd auf der Höhe des Wegs.

Stüssi zum Friesshardt:
Wie kamt ihr durch das Wasser,
Da doch der Strom die Brücken fortgeführt?

Friesshardt:
Wir haben mit dem See gefochten, Freund,
Und fürchten uns vor keinem Alpenwasser.

Stüssi:
Ihr wart zu Schiff in dem gewalt'gen Sturm?

Friesshardt:
Das waren wir. Mein Lebtag denk ich dran –

Stüssi:
O bleibt, erzählt!

Friesshardt:
Lasst mich, ich muss voraus,
Den Landvogt muss ich in der Burg verkünden. (Ab.)

Stüssi:
Wärn gute Leute auf dem Schiff gewesen,
In Grund gesunken wär's mit Mann und Maus,
Dem Volk kann weder Wasser bei noch Feuer.

Er sieht sich um.
Wo kam der Weidmann hin, mit dem ich sprach?

                                        Geht ab.

Gessler und Rudolf der Harras zu Pferd.

Gessler:
Sagt was Ihr wollt, ich bin des Kaisers Diener
Und muss drauf denken, wie ich ihm gefalle.
Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk
Zu schmeicheln und ihm sanft zu tun – Gehorsam
Erwartet er, der Streit ist, ob der Bauer
Soll Herr sein in dem Lande oder der Kaiser.

Armgard:
Jetzt ist der Augenblick! Jetzt bring ich's an!

                          Nähert sich furchtsam.

Gessler:
Ich hab den Hut nicht aufgesteckt zu Altdorf
Des Scherzes wegen, oder um die Herzen
Des Volks zu prüfen, diese kenn ich längst.
Ich hab ihn aufgesteckt, dass sie den Nacken
Mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen –
Das Unbequeme hab ich hingepflanzt
Auf ihren Weg, wo sie vorbeigehn müssen,
Dass sie drauf stoßen mit dem Aug, und sich
Erinnern ihres Herrn, den sie vergessen.

Rudolf der Harras:
Das Volk hat aber doch gewisse Rechte –

Gessler:
Die abzuwägen ist jetzt keine Zeit
– Weitschicht'ge Dinge sind am Werk und Werden,
Das Kaiserhaus will wachsen, was der Vater
Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.
Dies kleine Volk ist uns ein Stein im Weg –
So oder so – Es muss sich unterwerfen.

Sie wollen vorüber. Die Frau wirft sich vor dem Landvogt nieder.

Armgard:
Barmherzigkeit, Herr Landvogt! Gnade! Gnade!

Gessler:
Was dringt Ihr Euch auf offner Straße mir
In Weg – Zurück!

Armgard:
Mein Mann liegt im Gefängnis,
Die armen Waisen schrein nach Brot – Habt Mitleid
Gestrenger Herr, mit unserm grossen Elend.

Rudolf der Harras:
Wer seid Ihr? Wer ist Euer Mann?

Armgard:
Ein armer
Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge,
Der überm Abgrund weg das freie Gras
Abmähet von den schroffen Felsenwänden,
Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen –

Rudolf der Harras zum Landvogt:
Bei Gott, ein elend und erbärmlich Leben!
Ich bitt' Euch, gebt ihn los den armen Mann,
Was er auch Schweres mag verschuldet haben,
Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk.

Zu der Frau:
Euch soll Recht werden – Drinnen auf der Burg
Nennt Eure Bitte – Hier ist nicht der Ort.

Armgard:
Nein, nein, ich weiche nicht von diesem Platz,
Bis mir der Vogt den Mann zurückgegeben!
Schon in den sechsten Mond liegt er im Turm,
Und harret auf den Richterspruch vergebens.

Gessler:
Weib, wollt Ihr mir Gewalt antun, hinweg.

Armgard:
Gerechtigkeit, Landvogt! Du bist der Richter
Im Lande an des Kaisers Statt und Gottes.
Tu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit
Vom Himmel hoffest, so erzeig sie uns.

Gessler:
Fort, schafft das freche Volk mir aus den Augen.

Armgard greift in die Zügel des Pferdes:

Nein, nein, ich habe nichts mehr zu verlieren.
– Du kommst nicht von der Stelle, Vogt, bis du
Mir Recht gesprochen – Falte deine Stirne,
Rolle die Augen wie du willst – Wir sind
So grenzenlos unglücklich, dass wir nichts
Nach deinem Zorn mehr fragen –

Gessler:
Weib, mach Platz,
Oder mein Ross geht über dich hinweg.

Armgard:
Lass es über mich dahingehn – da –

Sie reißt ihre Kinder zu Boden und wirft sich mit ihnen ihm in den Weg.

Hier lieg ich
Mit meinen Kindern – Lass die armen Waisen
Von deines Pferdes Huf zertreten werden,
Es ist das Ärgste nicht, was du getan –

Rudolf der Harras:
Weib, seid Ihr rasend?

Armgard heftiger fortfahrend:
Tratest du doch längst
Das Land des Kaisers unter deine Füße!
– O ich bin nur ein Weib! Wär' ich ein Mann,
Ich wüsste wohl was Besseres, als hier
Im Staub zu liegen –

Man hört die vorige Musik wieder auf der Höhe des Wegs, aber gedämpft.

Gessler:
Wo sind meine Knechte?
Man reiße sie von hinnen oder ich
Vergesse mich und tue was mich reuet.

Rudolf der Harras:
Die Knechte können nicht hindurch, o Herr,
Der Hohlweg ist gesperrt durch eine Hochzeit.

Gessler:
Ein allzu milder Herrscher bin ich noch
Gegen dies Volk – die Zungen sind noch frei,
Es ist noch nicht ganz wie es soll gebändigt –
Doch es soll anders werden, ich gelob' es,
Ich will ihn brechen diesen starren Sinn,
Den kecken Geist der Freiheit will ich beugen.
Ein neu Gesetz will ich in diesen Landen
Verkünden – Ich will –

Ein Pfeil durchbohrt ihn, er fährt mit der Hand ans Herz und will sinken. Mit matter Stimme:

Gott sei mir gnädig!

Rudolf der Harras:
Herr Landvogt – Gott was ist das? Woher kam das?

Armgard auffahrend:
Mord! Mord! Er taumelt, sinkt! Er ist getroffen!
Mitten ins Herz hat ihn der Pfeil getroffen!

Rudolf der Harras springt vom Pferde:
Welch grässliches Ereignis – Gott – Herr Ritter –
Ruft die Erbarmung Gottes an – Ihr seid
Ein Mann des Todes! –

Gessler:
Das ist Tells Geschoss.

Ist vom Pferde herab dem Rudolf Harras in den Arm gegleitet und wird auf der Bank niedergelassen.

Tell erscheint oben auf der Höhe des Felsen:
Du kennst den Schützen, suche keinen andern!
Frei sind die Hütten, sicher ist die Unschuld
Vor dir, du wirst dem Lande nicht mehr schaden.

Verschwindet von der Höhe. Volk stürzt herein.

Stüssi voran:
Was gibt es hier? Was hat sich zugetragen?

Armgard:
Der Landvogt ist von einem Pfeil durchschossen.

Volk im Hereinstürzen:
Wer ist erschossen?

Indem die vordersten von dem Brautzug auf die Szene kommen, sind die hintersten noch auf der Höhe, und die Musik geht fort.

Rudolf der Harras:
Er verblutet sich.
Fort, schaffet Hilfe! Setzt dem Mörder nach!
– Verlorner Mann, so muss es mit dir enden,
Doch meine Warnung wolltest du nicht hören!

Stüssi:
Bei Gott! da liegt er bleich und ohne Leben!

Viele Stimmen:
Wer hat die Tat getan?

Rudolf der Harras:
Rast dieses Volk,
Dass es dem Mord Musik macht? Lasst sie schweigen.

Musik bricht plötzlich ab, es kommt noch mehr Volk nach.

Herr Landvogt, redet, wenn Ihr könnt – Habt Ihr
Mir nichts mehr zu vertraun?

Gessler gibt Zeichen mit der Hand, die er mit Heftigkeit wiederholt, da sie nicht gleich verstanden werden.

Wo soll ich hin?
– Nach Küssnacht? – Ich versteh Euch nicht – O werdet
Nicht ungeduldig – Lasst das Irdische,
Denkt jetzt, Euch mit dem Himmel zu versöhnen.

Die ganze Hochzeitsgesellschaft umsteht den Sterbenden mit einem fühllosen Grausen.

Stüssi:
Sieh wie er bleich wird – Jetzt, jetzt tritt der Tod
Ihm an das Herz – die Augen sind gebrochen.

Armgard hebt ein Kind empor:
Seht Kinder, wie ein Wüterich verscheidet!

Rudolf der Harras:
Wahnsinn'ge Weiber, habt ihr kein Gefühl,
Dass ihr den Blick an diesem Schrecknis weidet?
– Helft – Leget Hand an – Steht mir niemand bei,
Den Schmerzenspfeil ihm aus der Brust zu ziehn?

Weiber treten zurück:
Wir ihn berühren, welchen Gott geschlagen!

Rudolf der Harras:
Fluch treff euch und Verdammnis!

                                      Zieht das Schwert.

Stüssi fällt ihm in den Arm:
Wagt es Herr!
Eur Walten hat ein Ende. Der Tyrann
Des Landes ist gefallen. Wir erdulden
Keine Gewalt mehr. Wir sind freie Menschen.

Alle tumultuarisch:
Das Land ist frei!

Rudolf der Harras:
Ist es dahin gekommen?
Endet die Furcht so schnell und der Gehorsam?

Zu den Waffenknechten, die hereindringen:

Ihr seht die grausenvolle Tat des Mords
Die hier geschehen – Hülfe ist umsonst –
Vergeblich ist's, dem Mörder nachzusetzen.
Uns drängen andre Sorgen – Auf, nach Küssnacht,
Dass wir dem Kaiser seine Feste retten!
Denn aufgelöst in diesem Augenblick
Sind aller Ordnung, aller Pflichten Bande,
Und keines Mannes Treu ist zu vertrauen.

Indem er mit den Waffenknechten abgeht, erscheinen sechs Barmherzige Brüder.

Armgard:
Platz! Platz! da kommen die Barmherz'gen Brüder.

Stüssi:
Das Opfer liegt – Die Raben steigen nieder.

Barmherzige Brüder schließen einen Halbkreis um den Toten und singen in tiefem Ton:

Rasch tritt der Tod den Menschen an,
    Es ist ihm keine Frist gegeben,
Es stürzt ihn mitten in der Bahn,
    Es reisst ihn fort vom vollen Leben,
Bereitet oder nicht, zu gehen,
Er muss vor seinen Richter stehen!

Indem die letzten Zeilen wiederholt werden, fällt der Vorhang.