Rainer Maria Rilke
Reiten
Reiten, reiten, reiten, durch den Tag
Durch die Nacht, durch den Tag
Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden
Und die Sehnsucht so groß. Es gibt keine Berge mehr
Kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen
Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen
Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild
Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht
Manchmal glaubt man den Weg zu kennen
Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder
Das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne
Mühsam gewonnen haben? Es kann sein
Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer
Aber wir haben im Sommer Abschied genommen
Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün
Und nun reiten wir lang. Es muß also Herbst sein
Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen