Gerhard Schöne
Die kleine Quelle
Es war einmal und es ist irgendwann
Und es geschieht genau zu dieser Zeit
Da war ein Land, von Dürre ausgezehrt
Kein Regen, nicht ein Wölkchen weit und breit
Zuerst das Gras, das alles Grün verlor
Es wurde grau und dann zerfiel's zu Staub
Die Büsche dürr, die heulten noch im Wind
Die Bäume warfen ab ihr junges Laub
Tiere schleppten sich von hinnen
Um der Wüste zu entrinnen
Wenige entkamen, viele fanden frühen Tod
Die Brunnen leer, die Quellen längst versiegt
Nur heiße Steine, wo der Fluss verlief
Ein alter Baum stand trotzig, bis zuletzt
Mit starken Wurzeln, unermesslich tief
Die Trockenheit griff ihm schon an das Herz
Die Sonne brannte und sein Tod war nah
Doch was war das? In seinem Schatten stand
Noch eine Blume wie ein Wunder da
Eine kleine Quelle eben
Hielt die Blume noch am Leben
Weil sie ein paar kümmerliche Wassertropfen fand
Die Quelle sah das Elend rings umher
Und wie die Dürre alles Leben nahm
Wozu sich um die letzte Blume mühn?
Sie spürte schon, wie sie ins Stocken kam
Sie sprach verzagt: "Mein Tun hat keinen Sinn
Ich halte doch die Wüste nicht mehr auf."
Der alte Baum, der schon im Sterben lag
Entgegnete der Quelle schnell darauf:
"Du, versprich mir auf der Stelle
Müh dich weiter, kleine Quelle
Gib dich nicht, auch wenn es schwer ist, der Verzweiflung hin
Du sollst ja nicht die Wüste wässern
Nicht gleich die ganze Welt verbessern
Nur die eine Blume hüten, darin liegt dein Sinn."