Gerhard Schöne
Das Wolfskind II
"Das Mädchen Anna Seidenschuh fuhr gern mit ihrem Rad
Zum stillen Waldsee in der Näh' und nahm ein kühles Bad
Das klare Wasser glitzerte, kein Mensch war in der Näh'
Drum schwamm das Mädchen Anna auch ganz splitternackt im See
Und als sie aus dem Wasser kam, an einem Nachmittag
Da hockte so ein Menschentier, dort, wo ihr Handtuch lag

Sie hat sich bis ins Herz erschreckt, wie man sich denken kann
Doch tapfer, wie die Anna war, sprach sie den Wolfsmensch an
Er knurrte erst, als Anna sprach, dann winselte er nur
Und heulte schließlich fern im Wald, als Anna heimwärts fuhr
Ach, Anna dachte seitdem oft an jenen Nachmittag
Und wer wohl dieser Wolfsmensch ist? Wie es ihm gehen mag?

Der Wolfsmensch saß am Waldsee gern bei sternenklarer Nacht
Fraß kaum noch einen Bissen, hat an Anna nur gedacht
So war das mit dem Wolfsmensch und der Anna Seidenschuh."
"Wie geht es weiter?", fragte ich. "Ach, Junge, gib doch Ruh'!
Vielleicht wenn du erwachsen bist, erzähle ich dir das
Jetzt ist's genug bei meinem Aug' aus himmelblauem Glas."