Zupfgeigenhansel
Ein Krampenschlag vor Tag
1.Was bin ich nur so jäh erwacht. So früh? Es ist noch lang nicht Tag. Fahl liegt die Kammer, durch die Nacht hallt eines Krampen dumpfer Schlag. Vorm Fenster steht ein Mann und schwing den Schaft und bricht das Pflaster auf. Der scharfe Hach der Erde dringt mit jedem Schlag zu mir herauf
2.Vor Schwäche dreht es mich zur Wand, lang ist es her, schon viel zu lang, dass auf dem Steig gespreizt ich stand bei Nacht und selbst den Krampen schwang. Die Funken stoben, und wie Wein roch scharf der Grund, das ist vorbei. Ein and’rer lockert Stein um Stein und weckt mich vor dem Hahnenschrei
3.Der du vorm Fenster stehst, vielleicht habe ich vor Jahren dich gekannt und dir die Schaufel zugereicht und hab dich meinen Freund genannt. Das ist vorbei, lang hungert mich. Ich tät dein Werk genau so gut. Und säh’ ich auf der Straße dich, ich zöge nicht vor dir den Hut
4.Weißt du, Gesell, was Hunger ist? Und weißt du’s auch, was gilt es mir! Den Karren, der die Erde frisst, das Scheit, den Krampen neid ich dir. Ich ließ dich nicht herein zur Tür,m du reißt mit jedem neuen Schlag, kannst du auch zehnmal nichts dafür, mehr als das Pflaster auf vor Tag
5.Den tiefen Riss, du schüttest nicht, solang du lebst mit nichts ihn zu. Am Barren schwingt das rote Licht, die fahlen Sterne geh’n zur Ruh’. Ein Zug geht draußen, auf dem Steig verhallt der letzte Krampenschlag. Ans Fenster schlägt ein schwarzer Zweig, mich friert, es ist noch lang nicht Tag
Theodor Kramer 1934