Johann Wolfgang von Goethe
Beruhigung
Wo der Mond mit bleichem Schimmer
Durch der Kiefern Dunkel blickt;
Wo um wildes Felsgetrümmer
Sich die Efeuranke strickt;
Wo des Nebels Todtenschleier
Sich um Herbstgesträuche dehnt;
Wo am trüben Erlenweiher
Dürres Rohr im Winde tönt;

Wo in schwarzen Alpenschlünden
Dumpf der Bergstrom wiederhallt;
Wo, ein Spiel den Abendwindеn
Welkes Laub auf Gräber wallt
Da, da wandеlt, von der Thoren
Eitler Schimmerbühne fern
Schwermuth! der, den du erkohren
Unter Ahndungsträumen, gern

Da erfüllt ein stilles Sehnen
Nach des Grabes Ruh' das Herz;
Da ergießt in heissen Thränen
Sich der Seele sanfter Schmerz
Und der Blick durchschaut die trübe
Zukunft ruhig bis ans Grab
Und es ruft: Gott ist die Liebe!
Jeder Stern auf sie herab