Johann Wolfgang von Goethe
An Mignon
Über Thal und Fluß getragen
Ziehet rein der Sonne Wagen
Ach, sie regt in ihrem Lauf
So wie deine, meine Schmerzen
Tief im Herzen
Immer morgens wieder auf
Kaum will mir die Nacht noch frommen
Denn die Träume selber kommen
Nun in trauriger Gestalt
Und ich fühle dieser Schmerzen
Still im Herzen
Heimlich bildende Gewalt
Schon seit manchen schönen Jahren
Seh' ich unten Schiffe fahren;
Jedes kommt an seinen Ort;
Aber ach, die steten Schmerzen
Fest im Herzen
Schwimmen nicht im Strome fort
Schön in Kleidern muß ich kommen
Aus dem Schrank sind sie genommen
Weil es heute Festtag ist;
Niemand ahnet, daß von Schmerzen
Herz im Herzen
Grimmig mir zerrissen ist
Heimlich muß ich immer weinen
Aber freundlich kann ich scheinen
Und sogar gesund und roth;
Wären tödtlich diese Schmerzen
Meinem Herzen
Ach, schon lange wär ich todt