Zweyter Act.
Saal,
in chinesischem Geschmacke, der Grund gelb mit Figuren.
Mana und Sora.
Mana. Nun das heiß' ich ein Gepäcke! Der ganze Hof ist voll Kisten, Kasten, Mantelsäcke und ungeheurer Verschläge.
Sora (läuft an's Fenster). Wir werden ihm den ganzen Flügel des Pallastes geben müssen, nur seine Sachen unterzubringen.
Mana. Es ist abscheulich, wenn Mannspersonen reisen, als wenn sie Wöchnerinnen wären. Über uns halten sie sich auf, daß, wenn wir doch auf vier Wochen in's Bad gehen, der Schachteln, Kästchen, Pappen und Wachstücher kein Ende werden will; und sich erlauben sie's!
Sora. Wie mehr Sachen, liebes Kind, die sie uns übel nehmen.
Ein Bedienter (kommt). Der Cavalier des Prinzen läßt sich melden.
Mana. Führt ihn herein. (Bedienter ab). Sieh zu, es hat sich doch nichts an meinem Kopfputze verschoben?
Sora. Halte! – Die Locke hier – Er kommt.
Merkulo (tritt herein). Vollkommene Damen! Es sind nicht viel Augenblicke meines Lebens, worin ich mich so glücklich fühlte, als in dem gegenwärtigen. Sonst werden wir armen Diener meisten Theils bey verdrießlichen Angelegenheiten vorgeschoben, bey angenehmen Ereignissen stehen wir zurück; aber dieß Mahl erhebt mich mein Prinz über sich selbst, indem er mich voraus in die Wohnung des Vergnügens und der Reitze sendet.
Mana. Sie sind sehr gütig.
Sora. Und recht willkommen. Wir haben so viel Gutes von dem Prinzen gehört, daß wir vor Neugierde brennen ihn zu sehen.
Merkulo. Mein Fürst ist glücklich, daß er schon in der Entfernung Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen können; und wenn er, wie ich nicht anders hoffe, durch seine Gegenwart Ihre Gunst erhalten sollte; so kann er sich als den glücklichsten der Menschen preisen. Dürfte ich nicht indeß Ihrer Prinzessinn aufwarten, an die er mir eine Unzahl Verbindlichkeiten aufgetragen hat?
Mana Sie werden ihr bald vorgestellt werden können. Sie hat uns befohlen, Ihnen diese und die anstoßenden Zimmer anzuweisen. Bedienen Sie sich davon so viel und wie Sie's nöthig finden.
Merkulo. Wollen Sie mir erlauben, daß ich unsere Geräthschaften, deren freylich nicht wenige sind, herein und in Ordnung bringen lasse?
Mana. Nach Ihrer Bequemlichkeit.
Merkulo (mit einer Verbeugung ab).
Sora. Wir wollen bleiben. Ich bin gar zu neugierig, was sie Alles mitbringen.
(Es läßt sich ein lebhafter Marsch hören, und es kommt ein Zug. Merkulo voraus, der Oberste, die Wache, sodannTrabanten, welche Kasten von verschiedener Größe tragen, vier Mohren, die eine Laube bringen, und Gefolge. Sie umgehen das Theater. Die Kasten werden auf beyden Seiten, die Laube in den Grund, und ein großer Kasten auf die Laube gesetzt. Die stummen Personen gehn alle ab, der Marsch hört auf. Es bleiben)
Sora. Mana. Merkulo.
Sora. Wer sind denn die hübschen bewaffneten jungen Leute, und wer ist der Herr, der uns salutirte?
Merkulo. Das ist der Oberste über des Prinzen Kriegsvolk, und die andern sind junge Edelleute, militärische Edelknaben meines gnädigsten Herrn, und lose Vögel.
Mana. Wir erstaunen, mein Herr! Sie führen Decorationen mit sich! Wollen Sie etwa eine Komödie spielen? Vermuthlich ist die Theater-Garderobe in diesen Kasten?
Merkulo. Verzeihen Sie, meine Damen! – Eigentlich sollte ich den Finger auf den Mund legen, und Sie mit guter Art bitten, diesen Saal, der von nun an ein Platz der Geheimnisse wird, zu verlassen: allein wie vermag ich das gegen Ihre Güte und gegen Ihre Reitze! Nur vor unheiligen fremden Augen bewahren wir unsere heiligen Empfindungen; nicht vor so angenehmen Seelen, deren Theilnehmung wir wünschen.
Sora. Sagen Sie uns um's Himmels willen, was soll die Laube?
Merkulo. An diesem Zug, meine schönen Kinder, können Sie einen großen Theil des Charakters meines liebenswürdigen Prinzen erkennen. Er, der empfindsamste Mann von allen Männern, der für die Schönheiten der Natur ein gefühlvolles Herz trägt, der Rang und Hoheit nicht so sehr schätzt, als den zärtlichen Umgang mit der Natur –
Sora. Ach das ist ein Mann für uns! Wir gehn auch gar zu gern im Mondschein spatzieren, und hören die Nachtigallen lieber als Alles.
Merkulo. Da ist eins zu bedauren, meine vortrefflichen Damen! Mein Prinz ist von zärtlichen, äußerst empfindsamen Nerven, daß er sich gar sehr vor der Luft, und vor schnellen Abwechselungen der Tageszeiten hüten muß. Freylich unter freyem Himmel kann man's nicht immer so temperirt haben, wie man wünscht. Die Feuchtigkeit des Morgen- und Abendthaues halten die Leibärzte für höchst schädlich, den Duft des Mooses und der Quellen bey heißen Sommertagen für nicht minder gefährlich! Die Ausdünstungen der Thäler, wie leicht geben die einen Schnupfen! Und in den schönsten, wärmsten Mondnächten sind die Mücken just am unerträglichsten. Hat man sich auf dem Rasen seinen Gedanken überlassen, gleich sind die Kleider voll Ameisen, und die zärtlichste Empfindung in einer Laube, wird oft durch eine herabfahrende Spinne gestört. Der Prinz hat durch seine Akademien Preise ausgesetzt, um zu erfahren, ob diesen Beschwerden, zum Besten der zärtlichen Welt, nicht abgeholfen werden könne? Es sind auch verschiedene Abhandlungen gekrönt worden; die Sache aber ist bis jetzo noch um kein Haar weiter.
Sora. O, wenn je ein Mittel gegen die Mücken und Spinnen erfunden werden sollte, machen Sie es doch ja gemeinnützig! Denn wenn man oft in himmlischen Entzückungen aufgefahren ist, erinnert einen das leidige Geziefer, mit seinen Stacheln und krabbligen Füßen, gleich wieder an die Sterblichkeit.
Merkulo. Inzwischen, meine schönen Damen, hat der Prinz, der seinen Genuß weder verschoben noch unterbrochen haben will, den Entschluß gefaßt, durch tüchtige Künstler sich eine Welt in der Stube zu verschaffen. Sein Schloß ist daher auf die angenehmste Weise ausgeziert, seine Zimmer gleichen Lauben, seine Säle Wäldern, seine Cabinette Grotten, so schön und schöner als in der Natur; und dabey alle Bequemlichkeiten, die Stahlfedern und Ressortsnur geben können.
Sora. Das muß scharmant seyn!
Merkulo. Und weil der Prinz so sehr dran gewöhnt ist, wie er denn in jedem Lustschloß seine Natur hat: so haben wir auch eine Reisenatur, die wir auf unsern Zügen überall mit herumführen. Unser Hof-Etat ist mit einem sehr geschickten Manne vermehrt worden, dem wir den Titel als Naturmeister, Directeur de la nature, gegeben haben. Er hat eine große Anzahl von Künstlern unter sich. Ein würdiger Schüler von ihm ist dieser Mann hier, der unsere Natur auf der Reise besorgt, und den ich die Ehre habe Ihnen in dieser Qualität zu präsentiren. Was uns allein noch abgeht, das sind die kühlen Lüftchen. Die Versuche davon sind immer noch unvollkommen; wir hoffen aber aus Frankreich auch diesem Mangel nächstens abgeholfen zu sehen.
Sora. Um Vergebung, was ist in dem Kasten da? Darf man's wissen?
Merkulo. Geheimnisse, meine schönen Fräulein, Geheimnisse! Aber Sie haben das Geheimniß gefunden, die Geheimnisse meines Herzens aufzulösen, so daß Ihnen eben weiter nichts verborgen bleibt. Hier führen wir die vorzüglichsten Glückseligkeiten empfindsamer Seelen bey uns. In diesem Kasten sind sprudelnde Quellen.
Mana. O!
Merkulo. Hier in diesem ist der Gesang, der lieblichste Gesang der Vögel verborgen.
Mana. Warum nicht gar?
Merkulo. Und hier in diesem größern ist Mondschein eingepackt.
Sora. Es ist nicht möglich! Lassen Sie's uns doch sehn.
Merkulo. Es steht nicht in meiner Gewalt. Der Prinz allein weiß diese Herrlichkeiten in Bewegung und Leben zu setzen. Er ganz allein darf sie fühlen; ich könnte Ihnen nur den groben Stoff sichtbar machen.
Mana. O! wir müssen den Prinzen bitten, daß er uns die Maschinen einmahl spielen läßt.
Merkulo. Um's Himmels willen lassen Sie sich nichts merken! Und besonders unter dem Titel von Spielen würde der Prinz seine Liebhabereyen nicht erkennen. Jeder Mensch, meine schönen Fräulein, treibt seine Liebhabereyen sehr ernsthaft, meistens ernsthafter als seine Geschäfte. Indessen halte ich für Schuldigkeit, Ihr Vergnügen, so viel an mir ist, zu befördern, und wollte Ihnen gern unsre Raritäten, wenn gleich nur leblos, vorzeigen, wäre nur die Decoration des Saales einiger Maßen mit dieser eingeschloßnen Natur übereinstimmend.
Mana. So vollkommen muß man die Illusion nicht verlangen.
Sora. Dem ist leicht abzuhelfen. Wir haben ja die gewirkten Tapeten, die nichts als Wälder und Gegenden vorstellen.
Merkulo. Das wird allerliebst seyn.
Sora. He! (Ein Bedienter Kommt.) Sagt dem Hoftapezier, er soll die gewirkte Waldtapete gleich herunter lassen!
Merkulo. An mir soll's auch nicht fehlen.
(Musik.)
(Er gibt ein Zeichen, und in dem Augenblicke als sich die Scene in Wald verwandelt, verwandeln sich die Kasten in Rasenbänke, Felsen, Gebüsche und so weiter. Der Kasten über der Laube in Wolken. Der Decorateur wird sorgen, daß das Ganze übereinstimmend und reitzend sey, und mit der verschwindenden Decoration einen recht fühlbaren Contrast mache.)
Merkulo. Bravo! Bravo!
Sora. O wie schön.
(Sie besehen Alles auf das Emsigste so lange die Musik fortdauert.)
Mana. Die Decoration ist allerliebst.
Merkulo. Um Vergebung, nicht Decoration, sondern künstliche Natur nennen wir das; denn das Wort Natur, merken Sie wohl, muß überall dabey seyn.
Sora. Scharmant! Allerliebst!
Merkulo. Da muß ich Sie noch ein Kunstwort lehren, mit dem weit zu reichen ist. Scharmant! Allerliebst! das könnten Sie allenfalls auch von einer Florschürze, von einem Häubchen sagen. Nein, wenn Sie etwas erblicken, es sey was eswolle, sehn Sie es steif an, und rufen: Ach, was das für einen Effect auf mich macht! – Es weiß zwar kein Mensch was Sie eigentlich sagen wollen; denn Sonne, Mond, Fels und Wasser, Gestalten und Gesichter, Himmel und Erde, und ein Stück Glanzleinewand, jedes macht seinen eigenen Effect; was für einen, das ist ein Bißchen schwerer auszudrücken. Halten Sie sich aber nur an's Allgemeine: Ach! was das für einen besondern Effect auf mich macht! – Jeder der dabey sieht steht auch hin, und stimmt in den besondern Effect mit ein; und dann ist's ausgemacht – daß die Sache einen besondern Effect macht.
Mana. Mit alle dem scheint mir Ihr Prinz Liebhaber vom Theater.
Merkulo. Sehr! sehr! Das Theater und unsere Natur sind freylich nahe mit einander verwandt. Dabey ist er ein trefflicher Schauspieler. Wenn Sie ihn bereden könnten etwas vor Ihnen aufzuführen!
Sora. Haben Sie denn eine Truppe bey sich?
Merkulo. Das nicht! Wir sind aber Alle eine Art von Komödianten. Und dann agirt der Prinz, wenn's dazu kommt, meisten Theils allein.
Sora. Ach! davon haben wir schon gehört.
Merkulo. Ey! – Sehen Sie, meine Damen, das ist eine Erfindung, oder vielmehr eine Wiederauffindung, die unsern erleuchteten Zeiten aufbehalten war. Denn in den alten Zeiten, schon auf dem römischen Theater, waren die Monodramen vorzüglich eingeführt. So lesen wir zum Exempel vom Nero –
Mana. Das war der böse Kaiser?
Merkulo. Es ist wahr, er taugte von Haus aus nichts; war aber darum doch ein excellenter Schauspieler. Er spielte bloß Monodramen. Denn erstlich sagt Suetonius – Nun das werden Sie Alles in der trefflich gelehrten Schrift eines unserer Akademisten über diese Schauspielart lesen! Sie wird auf Befehl unsers Prinzen geschrieben und auf seine Kosten gedruckt. Wir führen aber auch die neusten Werke, wie man sie von der Messe kriegt: Monodramen zu zwey Personen, Duodramen zu dreyen, und so weiter.
Sora. Wird denn auch drin gesungen?
Merkulo. Ey! gesungen und gesprochen. Eigentlich weder gesungen noch gesprochen. Es ist weder Melodie noch Gesang drin, deßwegen es auch manchmahl Melodram genannt wird.
Sora. Wie ist das?
Merkulo. Gelegentlich, meine Fräulein! Gelegentlich.
Sora. Nun, wir hoffen, der Prinz soll gut Freund mit uns werden. Wir hoffen, Sie sollen recht lange bey uns bleiben. Sie bleiben doch recht lange bey uns?
Merkulo. Gar zu gütig! – Ach! wer glauben könnte, daß so eine Einladung aus einem so schönen Herzen käme! Es ist aber leider eins der gewöhnlichen Hofcomplimente, womit man einen Fremden bewillkommt, nur um sich zu versichern, daß er bald wieder weggehen werde.
Mana. Warten Sie nur, wir haben dem Prinzen schon allerley Scherze von unsrer Art zugedacht, die ihn gewiß unterhalten sollen.
Merkulo. Meine Fräulein, ich wünsche Ihnen Glück und uns Allen! Möchten Sie sein Herz, sein zärtlich Herz gewinnen, und ihn durch Ihren Liebreitz aus der sanften Traurigkeit ziehen, in der er verschmachtet!
Sora. Ach! Wir haben auch zärtliche Herzen, das ist just recht unsere Sache.
Mana. Bringen Sie uns nicht auch neue Liedchen mit?
Sora. Ja, wir haben's in der Art, wenn wir eine hübsche Melodie finden, singen wir sie meist todt, daß sie kein Mensch mehr hören mag.
Mana. Kein Liedchen an den Mond.
Merkulo. O deren haben wir verschiedene. Ich kann gleich mit einem aufwarten.
Sora. Thun Sie's ja!
Merkulo (singt). Du gedrechselte Laterne,
Überleuchtest alle Sterne,
Und an deiner kühlen Schnuppe
Trägst du der Sonne mildesten Glanz.
Sora. O Pfuy! das ist gar nichts Empfindsames!
Merkulo. Schönes Kind, um's Himmels willen, es ist aus dem Griechischen!
Mana. Es gefällt mir ganz und gar nicht.
Merkulo. Daran ist wohl die Melodie Schuld, ich hab' es immer gedacht. Das Lied an sich selbst ist gewiß vortrefflich, hören Sie nur!
(Er singt's auf die Melodie: Monseigneur, voyez nos larmes, und die Fräulein fangen an mitzusingen.)
Bediente. Der Prinz kommt! man eilt ihm entgegen!
(Merkulo und die Fräulein gehen singend ab.)