Johann Wolfgang von Goethe
Die Laune des Verliebten - Kapitel 3
                                         Zweiter Auftritt
                                             Egle. Amine.

Amine.
      Er achtet das nicht viel, was ihm sein Mädchen schenkt.

Egle.
      Mir selbst gefällt es nicht, wie mein Geliebter denkt;
      Zu wenig rühren ihn der Liebe Tändeleien,
      Die ein empfindlich Herz, so klein sie sind, erfreuen.
      Doch, Freundin, glaube mir, es ist geringre Pein,
      Nicht gar so sehr geliebt, als es zu sehr zu sein.
      Die Treue lob' ich gern; doch muß sie unserm Leben,
      Bei voller Sicherheit, die volle Ruhe geben.

Amine.
      Ach, Freundin! schätzenswert ist solch ein zärtlich Herz.
      Zwar oft betrübt er mich, doch rührt ihn auch mein Schmerz.
      Wirft er mir etwas vor, fängt er an, mich zu plagen,
      So darf ich nur ein Wort, ein gutes Wort nur sagen,
      Gleich ist er umgekehrt, die wilde Zanksucht flieht,
      Er weint sogar mit mir, wenn er mich weinen sieht,
      Fällt zärtlich vor mir hin und fleht, ihm zu vergeben.

Egle.
      Und du vergibst ihm?
Amine.
      Stets.

Egle.
      Heißt das nicht elend leben?
      Dem Liebsten, der uns stets beleidigt, stets verzeihn,
      Um Liebe sich bemühn und nie belohnt zu sein!

Amine.
      Was man nicht ändern kann –

Egle.
      Nicht ändern? Ihn bekehren
      Ist keine Schwierigkeit.

Amine.
      Wie das?

Egle.
      Ich will dich's lehren.
      Es stammet deine Not, die Unzufriedenheit
      Des Eridons –

Amine.
      Von was?
Egle.
      Von deiner Zärtlichkeit.

Amine.
      Die, dacht ich, sollte nichts als Gegenlieb entzünden.

Egle.
      Du irrst; sei hart und streng, du wirst ihn zärtlich finden.
      Versuch es nur einmal, bereit ihm kleine Pein:
      Erringen will der Mensch, er will nicht sicher sein.
      Kommt Eridon, mit dir ein Stündchen zu verbringen,
      So weiß er nur zu gut, es muß ihm stets gelingen.
      Der Nebenbuhler Zahl ist ihm nicht fürchterlich.
      Er weiß, du liebest ihn weit stärker als er dich.
      Sein Glück ist ihm zu groß, und, er ist zu belachen,
      Da er kein Elend hat, will er sich Elend machen.
      Er sieht, daß du nichts mehr als ihn auf Erden liebst,
      Und zweifelt nur, weil du ihm nichts zu zweifeln gibst.
      Begegn ihm, daß er glaubt, du könntest ihn entbehren;
      Zwar er wird rasen, doch das wird nicht lange währen,
      Dann wird ein Blick ihn mehr als jetzt ein Kuß erfreun;
      Mach, daß er fürchten muß, und er wird glücklich sein.

Amine.
      Ja, das ist alles gut; allein es auszuführen
      Vermag ich nicht.
Egle.
      Wer wird auch gleich den Mut verlieren.
      Geh, du bist allzu schwach. Sieh dort!

Amine.
      Mein Eridon!

Egle.
      Das dacht ich. Armes Kind! er kommt, du zitterst schon
      Vor Freude, das ist nichts; willst du ihn je bekehren,
      Mußt du ihn ruhig sehn sich nahn, ihn ruhig hören.
      Das Wallen aus der Brust! die Röte vom Gesicht!
      Und dann –

Amine.
      O laß mich los! So liebt Amine nicht.