Johann Wolfgang von Goethe
Der Schatzgräber
Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt' ich meine langen Tage
Armuth ist die größte Plage
Reichthum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen
Ging ich einen Schatz zu graben
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut
Und so zog' ich Kreis' um Kreise
Stellte wunderbare Flammen
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze:
Schwarz und stürmisch war die Nacht
Und ich sah ein Licht von weiten
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne
Eben als es zwölfe schlug
Und da galt kein Vorbereiten
Heller ward's mit einemmale
Von dem Glanz der vollen Schale
Die ein schöner Knabe trug
Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht': es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein
Trinke Muth des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung
Nicht zurück an diesen Ort
Grabe hier nicht mehr vergebens
Tages Arbeit! Abends Gäste;
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sey dein künftig Zauberwort